Witten. Wolfgang Preusche ist einer von vier Männern in Witten, die über 100 Jahre alt sind. Am Geburtstag verrät er sein Geheimnis eines langen Lebens.

Wenn Wolfgang Preusche einmal ins Erzählen kommt, dann würde er am liebsten nicht mehr aufhören. Kein Wunder, schließlich hat der Mann schon viel erlebt in seinem langen Leben. 102 Jahre alt wird er an diesem Montag (7.2.). Und wer sieht, wie flott der Senior durch die Gänge des Lutherhauses in Witten-Bommern spaziert, der vermag das kaum zu glauben.

Preusche schiebt es nicht nur auf die guten Gene. „Bewegung ist wichtig“, sagt er. Schon immer hat er Sport getrieben. Nicht als Wettkampf, sondern als Hobby. Hula Hoop und Federball mochte er als Kind. Als Jugendlicher fuhr er gern mit dem Rad, wanderte und liebte das Schwimmen. „Wasser ist mein Element.“ Als leidenschaftlichen Camper – erst mit dem Zelt, später mit dem Wohnwagen – zog es ihn mit Ehefrau Charlotte häufig ans Meer oder zumindest an einen See.

Nach dem Tod seiner Frau zog der gebürtige Breslauer nach Witten-Heven

Wolfgang Preusche mit Familienfotos, die in seinem Zimmer im Lutherhaus hängen.
Wolfgang Preusche mit Familienfotos, die in seinem Zimmer im Lutherhaus hängen. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Mit seiner Lotti war Wolfgang Preusche 56 Jahre zusammen. Als schlesische Flüchtlinge haben sich die beiden in Plettenberg kennengelernt. „Es war schnell um mich geschen“, sagt der gebürtige Breslauer. Ein bisschen Mut habe es aber gebraucht, die junge Frau anzusprechen. „Ich war ja etwas schüchtern.“ Als beide vor einem Regenschauer unter einem Dach Schutz suchten, hat es dann geklappt. Es war „ein großes Glück“ sagt Preusche über seine Ehe. „Wir haben uns gemeinsam durchgekämpft.“ 2002 ist seine Frau gestorben. Zeit für ihren Mann, den Wohnort zu wechseln.

Von Mülheim an der Ruhr zog er nach Heven, denn Tochter Gabriele lebt in Herbede, Sohn Stefan in Langendreer. Von Heven aus fuhr Wolfgang Preusche regelmäßig mit dem Bus in die Innenstadt, war Stammkunde im Café Möpschen. Nach zwei Herzinfarkten wechselte er in eine Wohnung im Rigeikenhof. Und entdeckte den TuS Bommern für sich. Mit 88 Jahren absolvierte er dort ein Probetraining und blieb dem Sportverein lange treu. Erst in der Gruppe „60plus“, später bei den Älteren. „Ich habe da eine wunderbare Zeit verlebt.“ Sie endete, als Corona anfing und Gymnastik in der Halle zunächst nicht mehr möglich war.

Im Zweiten Weltkrieg bei der Marine

An der Pandemie ärgert ihn, dass es „bei politischen Entscheidungen oft keine klare Linie gibt“. Ansonsten vermisse er in seinem Alter eigentlich nichts, fühle sich im Lutherhaus gut aufgehoben. Klar, Wolfgang Preusche hat ja ganz andere Zeiten erlebt. Schon die Kindheit war kein Zuckerschlecken: „Ich hatte drei Geschwister und wir waren bitterarm.“ Auch die Nachkriegszeit sei hart gewesen. Im Krieg selbst habe er viel Glück gehabt, kam nicht zum Heer, sondern zur Marine. Im französischen Brest wurde er zum Sanitäter ausgebildet, später zum OP-Gehilfen.

22 Menschen in Witten sind über 100 Jahre alt

Wolfgang Preusche hat ein Buch geschrieben über sein ganzes Leben – auf dem alten Laptop seines Schwiegersohns. 485 Seiten. Titel: „Mitgenommen vom Strom der Zeit“. Die Idee hatte seine Enkelin. Die Biografie ist nur für seine Familie gedacht. 15 Exemplare hat er verteilt.Preusche ist einer von vier Männern in Witten, die über 100 Jahre alt sind. 18 Frauen haben ebenfalls schon die 100 überschritten.

Vor dem Krieg hatte Preusche eine Lehre bei der Sparkasse gemacht. Danach fand er einen Job als Bürokaufmann bei einem Bauunternehmen. 1970 trat er eine Stelle als kaufmännischer Abteilungsleiter in einem Essener Architekturbüro an, von der er heute noch schwärmt. „Der Architekt und ich sind nach wie vor Freunde. Er will mich bald besuchen.“

Seinen Geburtstag wird der Jubilar im Lutherhaus verbringen. Dort werden sie ihm ein Ständchen bringen. Die Familie – dazu zählen vier Enkel und zwei Urenkel – schaut vorbei. „Aber nicht alle auf einmal. Dazu ist mein Zimmer zu klein.“ Vielleicht stoßen sie mit einem lieblichen Dornfelder an. „Trockenen Wein vertrage ich nicht.“ Bestimmt aber gibt es viel zu erzählen – über sein langes Leben, das hoffentlich noch ein bisschen länger lebenswert bleibt. Denn das ist alles, was Preusche sich mit seinen 102 Lenzen wünscht.