Witten. Senioren in Witten sind sauer: Beim Versuch, einen Impftermin zu vereinbaren, hätten sie “völliges Chaos“ erlebt. Hier ihre Erfahrungen.
Um acht am Montagmorgen hat Manfred Feld zum Hörer gegriffen. Der 82-Jährige aus Bommern hätte gerne einen Termin für die Corona-Schutzimpfung vereinbart. Sogar an zwei Apparaten haben er und seine Frau es fortlaufend versucht - 100 Mal insgesamt. Beim letzten Telefonat gegen 13.30 Uhr habe er die Auskunft bekommen: "Die Termine sind alle weg." Wie den Felds ist es vielen Senioren aus Witten ergangen.
"Ich könnte heulen", sagt Manfred Feld, der nun immer noch nicht weiß, wann er an der Reihe ist. Die Impfung sei ihm ausgesprochen wichtig. "Wie lange soll ich denn noch warten. Ich weiß nicht, was ich machen soll." Der 82-Jährige ist sauer: "Man kann doch nicht alle Senioren anschreiben, dass sie sich anmelden können, und dann stehen Termine und Impfstoff nur für eine bestimmte Anzahl zur Verfügung."
Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) hatte wie angekündigt um 8 Uhr die Telefon-Hotline und die Internetseite für Anmeldungen im Impfzentrum Ennepetal freigeschaltet. Viele Senioren über 80 hatten den Tag herbeigesehnt. Und dann das: Warterei am Telefon, Zusammenbruch der Leitungen. "Ein völliges Chaos", sagt Heidi Bechmann aus Heven.
Auch sie saß ab acht am Telefon. Gegen 13 Uhr habe sie aufgegeben, erzählt die 80-Jährige und fragt: "Warum konnte das nicht anders organisiert werden?" Eine Einteilung der Termin-Anmeldung in Stadtbezirke hätte sie zum Beispiel sinnvoller gefunden. Mal ganz abgesehen davon, dass das Impfzentrum in Ennepetal für Wittener ohnehin viel zu weit entfernt sei.
"Das Chaos war zu erwarten", sagt Dr. Arne Meinshausen von der Ärztlichen Qualitätsgemeinschaft Witten. Es sei ein ernstes Problem, doch die Lage werde sich sicher entspannen. Auch in seiner Herbeder Praxis habe er verzweifelte Senioren erlebt. "Kein einziger hatte einen Impftermin ergattert." Inzwischen verspüre er eine zunehmende Gereiztheit unter den Menschen, auch angesichts der mutierten Virus-Varianten. "Jeder hat Angst, dass es ihn doch noch erwischt."
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Michael Schultz (64) aus Rüdinghausen wollte für seine fast 87 Jahr alte Mutter und deren Bekannte Termine vereinbaren. Wie angeraten, versuchte er es online - natürlich bereits am frühen Morgen, während seine Frau zeitgleich am Telefon hing. Beides war nicht von Erfolg gekrönt. "Gegen 11 Uhr ist der Server der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe zusammengebrochen. Habe es noch einmal telefonisch versucht, wurde aber vertröstet", schildert Michael Schultz seine Erfahrung.
Das Ehepaar Wolf aus Stockum hat nach einigen telefonischen Versuchen von selbst aufgegeben. "Da war ständig besetzt", sagt Paul Wolf (83). Damit hatte Gerhard Leyen schon gerechnet. Der 90-jährige Annener, der sich durchaus gerne impfen lassen möchte, hatte es deshalb am Montag nicht lange versucht. Auch weil aus seiner Sicht "noch so viele Fragen offen sind". Seine drängendste: "Was passiert, wenn es keinen Anschlussimpfstoff für die zweite Impfung gibt?"
Eine gute Nachricht zum Schluss: Michael Schultz hatte später am Tag doch noch Glück. Als die Serverprobleme bei der KVWL offenbar beseitigt worden waren, hat er es erneut versucht. "Und was soll ich sagen? Nach 15 Minuten Wartezeit erreichte ich eine kompetente Callcenter-Mitarbeiterin und nach einer weiteren Viertelstunde war der Drops gelutscht: Ich konnte zwei Erst- und zwei Zweittermine für meine Mutter und ihre Bekannte festlegen."
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Trotz der gewaltigen Call-Center-Kapazitäten mit rund 800 gleichzeitig aktiven Mitarbeiter für die Termin-Telefonie und den eigens zur Terminbuchung geschaffenen Online-Portalen war der Andrang so groß, dass es bei der Terminvergabe - zumindest zum Start - zu Engpässen kommt, so die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). Rund 700 Zugriffe pro Sekunde seien gezählt worden. Man arbeite mit Hochdruck an der Behebung der Probleme.
"Jeder Impfwillige wird drankommen und muss nicht befürchten, zu spät zu kommen", beruhigt die KVWL. Doppelbuchungen - etwa für Ehepaare - seien aber nur "mit Glück" möglich. Die Impfstoffmengen würden in den kommenden Wochen für etwa 70.000 Menschen pro Woche in NRW reichen.
Über 80-Jährige, die einen Termin vereinbaren möchten, wenden sich an die kostenlose Hotline (0800) 116 117 02, täglich von 8 bis 22 Uhr, sowie rund um die Uhr an die Internetseite www.116117.de. Zuständig sei nicht das Wittener Seniorenbüro, so die Stadt.