Witten. Die Impfungen in Wittener Arztpraxen sind in vollem Gange. Patienten sind erleichtert. Warum eine Ärztin abends oft unglücklich nach Hause geht.

Mittwoch- und Freitagnachmittag sind die Türen der Arztpraxen auch in Witten normalerweise geschlossen. Doch die laufenden Impfungen gegen das Coronavirus stellen den Alltag in den Praxen auf den Kopf – auch den von Allgemeinmedizinerin Kerstin Rickels. Ihr Team bleibt nun etwa mittwochs zwei Stunden länger, um Patientinnen und Patienten den begehrten Piks zu geben.

30 Impftermine sind es am Tag unseres Besuchs – zehn Personen bekommen das Vakzin von Astrazeneca, 20 Biontech. Dietmar Radke gehört zu den ersten Patienten auf dem Terminkalender. Seine Frau Vera und er wollen sich mit Astrazeneca impfen lassen. Im noch leeren Wartezimmer schaut sich das Ehepaar das Aufklärungsmerkblatt an, bevor beide unterschreiben.

Wittener haben sich lange um Termin bemüht

„Wir sind wirklich froh, dass wir den Impftermin bekommen haben“, sagt Dietmar Radke. Viel habe der 68-Jährige telefoniert, doch es sei kaum ein Durchkommen gewesen. Umso größer die Erleichterung, als sich schließlich die Hausärztin bei ihm und seiner 65-Jährigen Frau meldete.

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Es dauert nicht lange, dann geht es auch schon ins Behandlungszimmer. „Nur ein kleiner Piks, das war’s schon“, sagt Dietmar Radke wenige Minuten später. Etwa 15 Minuten wartet das Ehepaar noch zur Beobachtung in der Praxis. Kaum weh getan hätte es, erzählen die Radkes. Im Juli folgt dann die Zweitimpfung. Was haben die beiden mit der nun greifbaren zusätzlichen Freiheit vor?

Hoffnung auf Urlaub am Meer nach Zweitimpfung

„Wir wollen gerne mal wieder nach Cuxhaven. Es gefällt uns da so gut“, sagt Dietmar Radke. Ostern habe es natürlich nicht mit dem Urlaub geklappt. Nun hoffen die beiden darauf, nach der Zweitimpfung im Sommer mal wieder ans Meer zu fahren.

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Die Praxis füllt sich nach und nach mit mehr Patienten – die einen warten im Flur darauf, ihren Impfpass abzugeben, die anderen sitzen zur Beobachtung im Wartezimmer, während die Ärztin Kerstin Rickels routiniert einen nach dem anderen impft.

Hausärztin geht oft unglücklich nach Hause

Abends gehe sie in letzter Zeit oft unglücklich nach Hause, erzählt die Medizinerin. Das Impfen an sich sei gar nicht das Problem, sondern die Organisation. Belastend seien unfreundliche Anrufe von Ungeduldigen, teils werde das Praxisteam sogar beschimpft. „Aber es gibt nun mal noch die Reihenfolge, an die wir uns halten müssen“, betont die Ärztin.

Das Hauptproblem sei die begrenzte Impfstoffmenge für Arztpraxen, erzählt sie weiter. Theoretisch könnte die Allgemeinmedizinerin 100 Patienten pro Woche in ihrer Praxis impfen. „Wir können aber nicht mehr impfen, als Impfstoff da ist. Was wir montags kriegen, ist bereits mittwochs verimpft“, so Kerstin Rickel.

Sorge über geringe Mengen Biontech

Zwei Ampullen Astrazeneca und vier Ampullen Biontech habe ihre Praxis für diese Woche erhalten – das sind 36 Dosen. Bei über 1000 Patienten eine verhältnismäßig kleine Zahl. Auch die Zukunft macht der Ärztin Sorgen. Zwar seien die Zweitimpfungen in den nächsten Monaten gesichert, doch die angekündigten Mengen von Biontech reichen nicht aus, um ab Mitte Mai weiterhin viele Erstimpfungen durchzuführen. „Wie viele Menschen wir dann genau mit der Erstimpfung versorgen können, wissen wir noch nicht“, so Kerstin Rickels.

Heinz Radmann jedenfalls freut sich an diesem Nachmittag über seine erste Impfung. Wie er sich so fühle? „Genau wie vorher“, sagt der 82-Jährige. Aber natürlich sei er auch sehr erleichtert. „Den Impfschutz zu haben, gibt einem schon mehr Sicherheit im Alltag“, so der Wittener. Nach Reisen sei ihm momentan nicht wirklich. „Mich zieht es sonst gerne hoch in den Norden, aber dieses Jahr bleibe ich mit meiner Frau zuhause“, erzählt der Rentner.

Knapp drei Millionen Impfdosen gehen an Arztpraxen

Knapp drei Millionen Impfdosen stehen für die Arztpraxen für die Woche ab 10. Mai bereit, heißt es bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung - davon rund 1,6 Millionen von Biontech und 1,3 Millionen von Astrazeneca.

Die Bestellmenge pro Arzt beträgt für diese Woche maximal 36 Dosen Biontech, für Astrazeneca gibt es keine Obergrenze.

Die tatsächliche Liefermenge pro Arzt hängt von der Anzahl der bestellenden Ärzte ab – sichergestellt soll jedoch sein, dass jeder mindestens 18-24 Dosen von Biontech erhält.

Auch Hartmut Krause bekommt nachmittags den schützenden Piks von Kerstin Rickels verpasst. Als Patient mit der Lungenkrankheit COPD war die Impfung für ihn besonders wichtig. Jetzt warte er darauf, dass bald auch seine Frau und seine Tochter eine Impfung bekommen. „Aber meine Tochter ist erst 23, das wird also noch etwas dauern“, sagt Krause. Was er machen will, sobald alle in der Familie geimpft sind?„Mal wieder in ein Restaurant oder eine Bar!“