Witten. Mit Voranmeldung konnten sich am 1. Mai etwa 200 Gewerkschafter vor dem Rathaus Witten treffen. Um was es ihnen nicht nur in Coronazeiten geht.

Es ist ein Bild, wie man es dieser Tage nicht mehr häufig sieht. Auf dem Rathausplatz in Witten haben sich am 1. Mai etwa 200 Menschen versammelt, um für gerechtere Arbeitsbedingungen zu demonstrieren. Die Kundgebung stand dieses Jahr unter dem Motto „Solidarität ist Zukunft“.

Auf den Betonfliesen des Rathausplatzes sind alle zwei Meter weiße Kreuze mit Kreide gemalt. Auf jedem Kreuz stehen die Demonstranten einzeln oder zu zweit, um den nötigen Abstand zueinander einzuhalten. Für eine Kundgebung ist es ungewöhnlich leise, die Atmosphäre ist friedlich. Die Fahnen von „AUF Witten“, „MLPD“, „Verdi“ und der „Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen“ wehen im Wind. Stefan Borggraefe, Fraktionsvorsitzender der „Piraten Witten“ reckt die orangene Flagge seiner Partei in die Höhe. Auf einem anderen Plakat ist zu lesen: „Geld für Gesundheit statt für Banken und Konzerne – Abrüsten statt Aufrüsten“.

Zustände im Gesundheitsbereich sind ein Thema

Dies fasst auch zusammen, was Hauptredner Mathias Hillbrandt, DGB Vorsitzender des Kreisverbands Ennepe-Ruhr und Bevollmächtigter der IG Metall, in seiner Rede vermitteln will. Ein Thema, um das es dem Gewerkschafter unter anderem geht, sind die Zustände im Gesundheitsbereich. „Schon vor der Krise waren unsere Kollegen in der Pflege überlastet“, so Hillbrandt. Dass es bis heute keine neuen Tarifverträge gebe, das sei ein Skandal. „Das Gesundheitswesen darf nicht verhandelbar und keine Kapitalanlage sein, sondern soll dem Gemeinwohl dienen. Dafür müssen wir kämpfen.“

Etwa 200 Teilnehmer nahmen an der Mai-Kundgebung auf dem Wittener Rathausplatz teil – natürlich mit Abstand.
Etwa 200 Teilnehmer nahmen an der Mai-Kundgebung auf dem Wittener Rathausplatz teil – natürlich mit Abstand. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Mathias Hillbrandt spricht auch über ungleich verteiltes Einkommensvermögen, die steigenden Mieten, den Mindestlohn, der immer noch zu gering sei, die drohende Altersarmut. Er redet über die Energiewende, die zum Schutz des Planeten wichtig sei, aber auch über den Schutz für Menschen, die deswegen um ihren Arbeitsplatz bangen müssten. Sein Beitrag wird von Applaus unterstützt.

Auch Wittens Bürgermeister Lars König hält eine Rede

Henry Fox, stellvertretender Kreisvorsitzender des DGB Ennepe-Ruhr, erklärt, warum Zusammenhalt so wichtig ist. „Solidarität ist Zukunft, auch in unserer Arbeitswelt, wo sich die Bedingungen aufgrund der Pandemie dramatisch verändern“, so Fox. Solidarität sei das entscheidende Mittel gegen die gegenwärtigen und zukünftigen Probleme, sie sei das Fundament der Demokratie. „Durch Zusammenhalt sind wir besser geschützt und können gemeinsam für bessere Tarife kämpfen“, heißt es weiter.

Mehr zur Notbremse:

Auch Wittens Bürgermeister Lars König hält eine kurze Rede. Ihm sei vor allem der Dialog mit Wittenern und Wittenerinnen wichtig, betont er. „Wenn der Bürgermeister alleine oben in seinem Büro sitzt, funktioniert es nicht.“

Live-Musik – ein inzwischen ungewohntes Erlebnis

Wer bei der Mai-Kundgebung des DGB in Witten dabei sein wollte, musste sich im Vorhinein anmelden. Lediglich 200 Personen durften an der Veranstaltung teilnehmen.
Wer bei der Mai-Kundgebung des DGB in Witten dabei sein wollte, musste sich im Vorhinein anmelden. Lediglich 200 Personen durften an der Veranstaltung teilnehmen. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Auf der anderen Seite des Platzes weht eine rote Fahne der NRW-Jusos mit der Aufschrift „Links. Laut. Läuft“. Paulina Saelzer von der SPD, jüngstes Mitglied im Wittener Stadtrat, ist mit von der Partie. „Ich finde es schön, dass trotz Corona und Abstand doch so viele bewusst hierhergekommen sind“, sagt die 23-Jährige.

Tag der Arbeit

1919 wird der 1. Mai, einst Streiktag der Arbeiterklasse, erstmals deutscher Feiertag. Seine Wurzeln hat der „Tag der Arbeit“ in den USA.

2020 verzichtete der DGB Corona-bedingt erstmals in seiner Geschichte auf große Kundgebungen – die Veranstaltungen fanden größtenteils als digitale Events statt.

In Witten gab es 2020 eine Mini-Maikundgebung mit 50 Gewerkschaftern.

Nach den Redebeiträgen folgt ein Live-Auftritt der Band „Keen Sense“. Gesang und Gitarrenklänge schallen unwirklich durch die Lautsprecher – so ungewohnt ist es schon, Live-Musik zu hören. Einen Demonstranten freut das kleine Konzert offenbar besonders. Auf dem sich langsam leerenden Rathausplatz wippt er genüsslich im Takt hin und her – so, als wolle er auch in Pandemiezeiten nicht auf den „Tanz in den Mai“ verzichten.