Berlin. Ausgangssperre, Testpflicht, Kontaktbeschränkungen: Die Corona-Notbremse gilt seit Samstag. Das müssen Sie über die Regeln wissen.

  • Die Corona-Notbremse gilt seit Samstag in vielen Regionen Deutschlands
  • Damit gelten in Deutschland jetzt je nach Sieben-Tage-Inzidenz einheitliche Regeln
  • Das sollten Sie über die neuen Einschränkungen wissen

In der Pandemie ist Angela Merkel zur "Basta-Kanzlerin" geworden. Mit machtvoller Geste gegenüber den Ministerpräsidenten hat die Regierungschefin die langwierige Debatte um die Einhaltung der Corona-Notbremse beendet. Eigentlich hatten sich Bund und Ländern auf gemeinsame Regeln zur Eindämmung der Pandemie geeinigt. Doch viele Länder scherten aus. Dieses regionale Wirrwarr soll nun ein Ende haben.

Am Dienstag vergangener Woche verabschiedete das Kabinett eine deutschlandweit verpflichtende Notbremse, die jedes Bundesland ziehen muss, wenn dort in einer Region die Zahl der Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tage auf mehr als 100 steigt. "Wir setzen die Notbremse bundesweit um", sagte Merkel. Die Regelung sei dann "nicht mehr Auslegungssache, sondern sie greift automatisch". Doch es gibt zahlreiche Verfassungsbeschwerden gegen die Gesetzesänderung, vor allem die Ausgangssperren werden als unverhältnismäßig kritisiert. Stoppt Karlsruhe die Bundes-Notbremse?

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FDP rechnet mit Erfolg ihrer Verfassungsklage gegen Notbremse

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    Am Mittwoch hat auch der Bundestag über den Gesetzentwurf abgestimmt und die Änderungen des Infektionsschutzgesetz beschlossen. Am Donnerstag passierte die Gesetzesnovelle auch den Bundesrat. In der Länderkammer wurde am Donnerstag kein Antrag zur Anrufung des Vermittlungsausschusses gestellt.

    Seit wann gilt die einheitliche Notbremse?

    Das geänderte Infektionsschutzgesetz mit der Bundes-Notbremse gilt seit Samstag. Nachdem es von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterzeichnet worden war, wurde es auch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

    Lesen Sie hier, welche Kreise die Bundes-Notbremse ziehen müssen.

    Wie lange soll die Notbremse gelten?

    Das Gesetz soll so lange gelten, wie der Bundestag eine epidemische Lage von nationaler Tragweite feststellt - "längstens jedoch bis zum Ablauf des 30. Juni 2021".

    Bundes-Notbremse: So sollen die neuen Regeln aussehen

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      Bundes-Notbremse: 250 Bundestagsabgeordnete stimmten dagegen

      In der namentlichen Bundestagsabstimmung am Mittwoch votierten 342 Abgeordnete für den Gesetzentwurf der großen Koalition. Es gab 250 Nein-Stimmen und 64 Enthaltungen. Zuvor hatten die Grünen angekündigt, sich zu enthalten. Die weiteren Oppositionsparteien AfD, Linke und FDP lehnen die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes ab.

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      CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus sagte in der Debatte, nicht nur die Intensivmedizin sei überlastet, sondern das ganze Gesundheitssystem. "Deswegen ist es notwendig, dass wir hier und heute handeln." Ein "Rausimpfen" werde für die nächsten Wochen nicht reichen, auch "runtergetestet" könne ein Land nicht werden. Das Gesetz berücksichtige aber, dass mehr geimpft und mehr getestet werde, deshalb sei es auf den 30. Juni begrenzt.

      Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nannte die Neuregelung "angemessen, verhältnismäßig und geeignet" zur Pandemie-Bekämpfung. Die Neuregelung sei eine "Brücke", bis die gestarteten Impfungen vorankämen. Bei diesen gebe es bereits erhebliche Fortschritte, in wenigen Wochen werde jeder Dritte geimpft sein, so Spahn.

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      Welche Lockdown-Regeln gelten jetzt im Alltag?

      Wenn die Sieben-Tage-Inzidenz in einer Stadt oder einem Landkreis an drei aufeinander folgenden Tagen die Schwelle von 100 überschreitet, gilt dort ab dem übernächsten Tag die bundesweite Notbremse und damit schärfere Maßnahmen. Dies könnte auch zuletzt aufgesetzte Modellprojekte wieder ausbremsen.

      Die verschärften Auflagen bleiben so lange in Kraft, bis die Sieben-Tage-Inzidenz an fünf aufeinander folgenden Tagen die Schwelle von 100 unterschreitet. Dann treten die Extra-Auflagen am übernächsten Tag wieder außer Kraft.

      • Ausgangssperren: In Gebieten mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 100 gilt eine nächtliche Ausgangssperren bis 05.00 Uhr morgens – jedoch erst ab 22.00 statt ab 21.00 Uhr. Zwischen 22.00 und 24.00 Uhr bleibt zudem die "im Freien stattfindende körperliche Bewegung alleine" erlaubt, also zum Beispiel joggen ohne Begleitung. Bestehen bleiben für die ganze Nacht die bereits vorgesehenen Ausnahmen, etwa für den Weg zur oder von der Arbeit sowie Arztbesuche im Notfall.
      • Private Kontakte: Es darf sich höchstens ein Haushalt mit einer weiteren Person treffen. Kinder bis 14 Jahre werden dabei nicht gezählt. Für Zusammenkünfte von Ehe- und Lebenspartnern oder zur Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts gilt die Einschränkung nicht. Bei Trauerfeiern nach Todesfällen dürfen bis zu 30 Personen zusammenkommen. In der alten Version des Entwurfes waren es 15 Personen.
      • Schulen und Kitas: Schülerinnen und Schüler sowie Lehrer müssen im Präsenzunterricht zweimal pro Woche getestet werden. Ab einer Inzidenz von 100 ist Wechselunterricht vorgeschrieben, ab einem Wert von 165 nur noch Distanzunterricht erlaubt. Diese Bremse gilt auch für Kitas, die Länder können aber Notbetreuung ermöglichen. Die Schulbremse tritt außer Kraft, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz an fünf aufeinander folgenden Tagen den Schwellenwert von 165 wieder unterschreitet.
      • Kinderkrankentage: Der Anspruch von derzeit 20 wird auf 30 Tage pro Kind und Elternteil erhöht. Für Alleinerziehende erhöht sich der Anspruch von 40 auf 60 Tage. Die Tage können von gesetzlich Krankenversicherten in Anspruch genommen werden, wenn Kinder erkrankt, aber auch, wenn Schulen und Kitas geschlossen sind, die Präsenzpflicht aufgehoben oder der Zugang zum Betreuungsangebot der Kita eingeschränkt ist. Dies gilt auch, wenn die Eltern im Homeoffice arbeiten.
      • Hotels und Gaststätten: Der Betrieb von Gastronomiebetrieben und Kantinen ist untersagt. Es gibt aber Ausnahmen etwa für Speisesäle in Reha-Zentren oder Pflegeheimen, die Versorgung Obdachloser oder von Fernfahrern. Die Abholung von Speisen und Getränken zum Mitnehmen ist erlaubt, ebenso die Auslieferung. Auch die Vermietung touristischer Übernachtungsmöglichkeiten bleibt weiterhin verboten.
      • Freizeiteinrichtungen: Einrichtungen wie Schwimmbäder, Saunen, Diskotheken, Bordelle, Wellnesszentren, Ausflugsschiffe oder Indoorspielplätze bleiben geschlossen.
      • Kultureinrichtungen: Theater, Opern, Konzerthäuser, Bühnen, Musikclubs, Kinos (außer Autokinos), Museen, Ausstellungen und Gedenkstätten bleiben geschlossen, auch entsprechende Veranstaltungen sind untersagt. Die Außenbereiche von Zoos und botanische Gärten sollen für Besucher mit aktuellem Negativ-Test offen bleiben.
      • Handel: Läden des täglichen Bedarfs wie etwa Supermärkte oder Drogerien bleiben wie bisher unabhängig von der Inzidenz geöffnet. Geschäfte dürfen Kunden nur noch empfangen, wenn diese einen negativen Corona-Test vorlegen und einen Termin gebucht haben. Ab einer Inzidenz von 150 soll nur noch das Abholen bestellter Waren möglich sein (Click & Collect).
      • Friseure/körpernahe Dienstleistungen: Dienstleistungen mit körperlicher Nähe zum Kunden sind untersagt. Ausgenommen sind Dienstleistungen, "die medizinischen, therapeutischen, pflegerischen oder seelsorgerischen Zwecken dienen sowie Friseurbetriebe". Dabei müssen in der Regel FFP2-Masken oder Masken mit gleicher Schutzwirkung getragen werden. Wer zum Friseur will, muss ein höchstens 24 Stunden altes negatives Testergebnis vorweisen.
      • Tests in Unternehmen und Homeoffice: Firmen müssen den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit anbieten, diese in der eigenen Wohnung auszuführen, "wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen". Die Beschäftigten müssen dieses Angebot annehmen, "soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen". Die Vorgabe gilt unabhängig von der Inzidenz. Wer nicht im Homeoffice arbeiten kann, dem muss die Firma einmal wöchentlich einen Test anbieten.
      • Sport: Es ist nur die "kontaktlose Ausübung von Individualsportarten" erlaubt - und zwar allein, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Hausstands. Bei Kindern gilt eine Obergrenze von fünf. Zulässig ist zudem der Wettkampf- und Trainingsbetriebs der Berufssportler und der Leistungssportler der Bundes- und Landeskader - aber nur ohne Zuschauer und mit Hygienekonzept.
      • Öffentlicher Personenverkehr: Für Fahrgäste im öffentlichen Personenverkehr sind FFP2-Masken vorgeschrieben; bei Kontroll- und Servicepersonal, das Kontakt zu den Passagieren hat, reicht eine OP-Maske.

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      Die Opposition kritisiert die Bundes-Notbremse

      Die bundeseinheitliche Notbremse war teils gegen deutliche Kritik aus der Opposition im Bundestag beschlossen worden. Die FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus sagte, bundeseinheitliche Ausgangssperren seien "keine geeignete Maßnahme". Die FDP werde eine Verfassungsbeschwerde auf den Weg bringen, sollte die Ausgangssperre wie geplant kommen.

      Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali verwies auf den hohen Anteil von Infektionen in Betrieben. Trotzdem würden in dem Gesetz die Arbeitgeber "nicht richtig in die Pflicht" genommen. Die Umsetzung von Homeoffice werde "nicht richtig kontrolliert", Tests am Arbeitsplatz solle es nur als Angebot geben.

      Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink warf der Koalition vor, sie habe "zu spät, zu zögerlich gehandelt". Die bundeseinheitliche Notbremse sei "zu halbherzig und zu wenig wirksam". Ihre Fraktion erkenne an, dass es im Gesetzgebungsverfahren Verbesserungen gegeben habe. Aber insgesamt reichten diese Maßnahmen nicht für eine Trendumkehr.

      (aky/ape/gb/bml/jtb/mja/pcl/lhel)