Witten. Die IG Metall erhöht in der laufenden Tarifrunde den Druck auf die Arbeitgeber. Was beim Warnstreik in Corona-Zeiten am Mittwoch in Witten ging.
Eigentlich war fast alles so wie immer. Zu alten Kampfhymnen wie „Bella Ciao“ wehten die roten Fahnen der IG Metall, manche Beschäftigte hatten Transparente mitgebracht, die professionellen Redner der Gewerkschaft peitschten mit markigen Worten die Kundgebungsteilnehmer ein, die ließen ihre Trillerpfeifen hören - und doch gab es einen großen Unterschied beim Warnstreik in Corona-Zeiten. Zur Demo vorm Rathaus kamen gerade einmal um die 50 Beschäftigte, stellvertretend für 2000 in sieben Betrieben, die die IG Metall aufgerufen hatte.
Mit „800, 900“ Leuten hätte Mathias Hillbrandt, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Ennepe-Ruhr-Wupper, zu normalen Zeiten schon gerechnet. Nun, diesmal galten die strengen Hygieneregeln. In mehreren Reihen und mit zwei Meter Abstand hatten sich die „Delegierten“ auf dem Rathausplatz bei trübem Wetter aufgestellt. „Wir stehen für 230 Beschäftigte“ schrieben Gerd Hoffmann und Veit Oberste-Kleinbeck von der Ruhrtaler Gesenkschmiede auf das Schild vor ihnen.
DGB-Sprecher in Witten: „Eigentlich stehe ich ja vor 2000 Leuten“
Es waren auch Abordnungen von Faiveley, Ruhrpumpen, Sogefi, der Edelstahlzieherei Mark in Wetter, DEW und ZF gekommen. „Eigentlich stehe ich ja vor 2000 Kollegen“, sagte Stefan Marx vom DGB. Nun, das gehört wohl auch zur Wahrheit: Selbst in virusarmen Zeiten wären es nie so viele gewesen.
Jedenfalls wollte die IG Metall demonstrieren, dass mit ihr auch in Pandemiezeiten nicht zu spaßen ist. „Die Betriebe sind leer gefegt“, eröffnete Hillbrandt den Reigen der Redner. „Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass die Arbeitgeber darauf spekulieren, dass wir coronabedingt handlungsunfähig sind“, sagte die Erste Bevollmächtigte Clarissa Bader. Dem widersprach sie deutlich unter Applaus und Pfiffen. „Trotz Corona sind wir da und sind wir laut.“
Erste Bevollmächtigte: „Wir kommen wieder und wieder und wieder“
Und sie drohte: „Wir kommen wieder und wieder und wieder.“ Die IG Metall erwartet, dass die Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie in der laufenden Tarifauseinandersetzung endlich ein Lohnangebot vorlegen. Die Gewerkschaft fordert vier Prozent mehr Entgelt für zwölf Monate. Seit Dezember sei trotz fünf Verhandlungsrunden nichts von der Unternehmerseite gekommen. „Eine Unverschämtheit“ nannte das die Gewerkschaftsfunktionärin.
Und vier Prozent seien noch eine „moderate Forderung“, so Peter Graf, Betriebsratsvorsitzender des Großgetriebeherstellers ZF. Er erinnerte an die durch Kurzarbeit „gebeutelten Familien“, die auf jeden Cent angewiesen seien. Trotz Pandemie hätten Konzerne wie VW oder Daimler Rekordgewinne eingefahren, sagte Clarissa Bader. Die Arbeitnehmer, die dafür „jeden verdammten Tag“ trotz des Corona-Risikos gearbeitet hätten, dürften jetzt nicht abgespeist werden.
IG Metall wünscht sich noch vor Ostern einen Tarifabschluss
Bader rief die Arbeitgeber auf, sich schnell zu bewegen.“ Sie wünscht sich einen Abschluss, „gern noch vor Ostern“. Am 25. März werde wieder verhandelt. Zu den Forderungen gehören auch ein Optionsmodell, das etwa im Falle von pandemiebedingter Beschäftigungsreduzierung die Vier-Tage-Woche vorsieht, und die Übernahme der Tarifverträge auch für dual Studierende in den Betrieben. „Wir dürfen keine Generation Corona haben“, so Bader.
Weitere Artikel aus Witten lesen Sie hier.
Mathias Hillbrandt erinnerte auch an die Tarifverhandlungen in der Stahlindustrie, die weitestgehend abgeschlossen sind. Dabei erinnerte er an die 1700 Beschäftigten bei den Deutschen Edelstahlwerken (DEW). Trotz des Zukunftstarifvertrages dürften sie nicht von der Lohn- und Gehaltsentwicklung abgekoppelt werden. „Gute Tarifabschlüsse bedeuten auch gute Renten.“
Am Donnerstag (18.3.) gibt es noch Warnstreiks in Gevelsberg (13 Uhr, Sparkasse), am Freitag (19.3.) zur gleichen Zeit in Wuppertal (Geschwister-Scholl-Platz).