Witten. Immer mehr Kinder aus Osteuropa besuchen die Bruchschule in Witten. Normaler Unterricht sei fast nicht mehr möglich. Die Rektorin schlägt Alarm.
Die Bruchschule schlägt Alarm. „Es wird einfach zu viel“, sagt deren Leiterin Susanne Daum. Sie und ihr Kollegium sehen sich nicht mehr in der Lage, einen Unterricht zu machen, der allen – oder zumindest den meisten Schülern – gerecht wird.
Der Anteil der Kinder mit sehr hohem Förder- und Unterstützungsbedarf habe in letzter Zeit einfach zu stark zugenommen, sagt Daum. Gemeint sind damit vor allem Kinder aus rumänischen und bulgarischen Roma-Familien. „Wir stehen vor dem Dilemma, dass wir entscheiden müssen, ob wir uns um die massiven Probleme von einigen Schülern kümmern – oder ob wir alle unterrichten“, so die Rektorin.
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Die Grundschule wünscht sich Unterstützung, um diesen Kindern helfen zu können. Die Leiterin hat deshalb eine sogenannte „Belastungsanzeige“ an die Schulverwaltung geschickt, sprich die Stadt.
Schulleiter in Witten weisen schon länger auf Problem der ungleichen Verteilung von Schülern hin
Schon seit einigen Jahren weisen Susanne Daum und Andreas Straetling (Baedekerschule) in ihrer Rolle als Sprecher der Grundschulrektoren auf die Problematik hin: An einigen wenigen innerstädtischen und innenstadtnahen Schulen ballen sich Schüler mit sprachlichen und sozialen Problemen , etwa an der Bredde-, Erlen-, Crengeldanz- und Baedekerschule. Oft, aber nicht immer, haben diese Kinder einen Migrationshintergrund. Und die Klassen sind zu voll, um auf die einzelnen Schüler einzugehen.
Weil sich in den letzten Jahren und Monaten vermehrt Familien mit Roma-Identität an der Annen- und der Ardeystraße – also im Einzugsgebiet der Bruchschule – angesiedelt haben, ist der Anteil dieser Schüler dort auf fast ein Zehntel angewachsen.
Kinder haben auch gesundheitliche Probleme
„Viele dieser Kinder haben zuvor noch nie eine Gemeinschaftseinrichtung besucht“, sagt Susanne Daum. Sie würden es also nicht kennen, sich in eine Gruppe einzuordnen, Rücksicht zu nehmen oder zu kooperieren. Auch die Haltung zu Pünktlichkeit und Umgangsformen sei eine ganz andere.
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Hinzu komme, dass oftmals auch die Gesundheitssituation der Kinder schwierig sei und deren Möglichkeit einschränke, am Unterricht teilzunehmen. „Da reicht dann die Kraft der Lehrer irgendwann nicht mehr“, so die 46-Jährige.
Das „Belastungsfass“ der Lehrer der Bruchschule ist übergelaufen
Das „Belastungsfass“, wie Daum es nennt, sei nun übergelaufen. Und die Probleme würden schneller wachsen, als man Gespräche führen könne. „Eine Schule kann das nicht alleine stemmen.“ So müsste etwa auch das Thema Wohnen angepackt werden. „Denn wenn sich Menschen so geballt ansiedeln, führt das zu Integrationsproblemen.“
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Der Brandbrief der Rektorin hat bei der Stadt Staub aufgewirbelt und wurde im letzten Schulausschuss diskutiert. „Hier sind viele Bereiche gefragt“, sagt etwa Regina Fiedler, schulpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion. „Das ist kein Problem der Kinder, sondern ein soziales.“ Nun müsse es darum gehen, einen Hilfsansatz, eine Lösung zu finden. Nina Hasenkamp, Sachkundige Bürgerin für das „Stadtklima“, schlug dazu im Ausschuss einen runden Tisch vor.
Bruchschule bekommt nach über einem Jahr wieder eine Schulsozialarbeiterin
Die Probleme der Bruchschule seien zweifellos schwerwiegend und belastend, gleichzeitig aber so tiefgehend, dass sie nicht kurzfristig gelöst werden könnten, sagt Stadtsprecher Jörg Schäfer. Ein erster Schritt wurde bereits getan.
Vandalismus auf dem Schulhof ist großes Problem
Die Bruchschule kämpft noch mit einem anderen Problem: Jeden Morgen sei der Schulhof mit Scherben übersät, erzählt Schulleiterin Daum. Immer wieder würden auch leere Drogentütchen, Spritzen oder sogar Kot auf dem Schulgelände liegen. Die Rektorin wünscht sich daher einen Zaun um ihren Schulhof.
Eigentlich sollen alle Schulhöfe laut einem Ratsbeschluss offen sein und somit auch nachmittags als Spielfläche genutzt werden können. Die Stadt räumt aber ein, dass man angesichts der Situation an der Bruchschule diskutieren sollte, dort nicht eine lokale Ausnahme zu machen und den Schulhof zu schließen.
Der Hof sei ein beliebter Treffpunkt, weiß auch Ratsfrau Regina Fiedler. Etwa von Jugendlichen und anderem Klientel. Er werde nicht als Spielplatz genutzt. „Dort geht doch kein Kind zum Spielen mehr hin.“
So sind Susanne Daum und ihr Kollege Straetling seit Kurzem beratende Mitglieder im Schulausschuss, um den Austausch zwischen Schulen, Rat und Verwaltung noch direkter zu gestalten. Ab Dezember gibt es an der Bruchschule nach über einem Jahr auch wieder eine Schulsozialarbeiterin – die sich die Schule aber mit der Vormholzer Grundschule teilen muss.
Integrationsrat: Situation ist sehr brenzlig
„Es ist jetzt wirklich sehr, sehr brenzlig“, sagt Mehmet Colak vom Integrationsrat der Stadt . Daher wolle man nun schnellstmöglich mit den betroffenen Eltern ins Gespräch kommen. Denn oft fehle ihnen aufgrund ihrer Herkunft und alter Traditionen das Verständnis dafür, wie wichtig es für die Kinder sei, in die Schule zu gehen und dort auch voranzukommen.
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Helfen soll dabei eine Vermittlerin, die selbst aus dem Balkanraum stammt und mit Sprache und Kultur vertraut ist. „Wir brauchen einen neutralen Dialog, ohne Druck“, so Colak. Jahrelang sei nichts gemacht worden. „Wir müssen jetzt handeln.“
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