Witten. . Kinder mit Problemen im sprachlichen und sozialen Bereich bündeln sich an Grundschulen in sozial schwachen Vierteln. Rektoren schlagen Alarm.

Volle Klassen, immer mehr Kinder mit sprachlichen Defiziten und Lehrer, die eher erziehen als unterrichten: Diese Probleme bündeln sich vor allem an den Grundschulen in den sozial ohnehin benachteiligten Stadtteilen wie Annen, Heven oder der Innenstadt.

„Von gleichen Bildungschancen können wir schon lang nicht mehr sprechen“, sagt deshalb Susanne Daum, Leiterin der Bruchschule und zusammen mit Andreas Strätling (Baedekerschule) Sprecherin der Grundschulrektoren der Stadt. Die Verteilung der Schüler sei nicht mehr gerecht.

Wahlfreiheit führt zu sozialer Kluft

Im November hatte das Sprecher-Duo daher den Austausch mit Verantwortlichen der Stadt und des Kreises gesucht und in der letzten Sitzung des Schulausschusses seine Nöte und mögliche Lösungsansätze vorgetragen.

Andreas Straetling (53), Schulleiter an der Baedekerschule, und Susanne Daum (44), Schulleiterin an der Bruchschule, sprechen für die REktoren der 17 Wittener Grundschulen.
Andreas Straetling (53), Schulleiter an der Baedekerschule, und Susanne Daum (44), Schulleiterin an der Bruchschule, sprechen für die REktoren der 17 Wittener Grundschulen. © Bastian Haumann

Seit 2008 können Eltern in NRW die Grundschule ihrer Kinder frei wählen. Diese Wahlfreiheit wird nach Einschätzung der beiden Rektoren aber meist nur von Eltern mit Bildungshintergrund, der nötigen Zeit und einem fahrbaren Untersatz genutzt. Sozial schwache Familien hingegen schickten ihre Kinder zumeist auf die nächstgelegene Schule. „Das verstärkt die Schere“, klagt Straetling.

Oft scheitert es an der Organisation

Aus Gesprächen mit anderen Rektoren berichtet der 53-Jährige, dass auch Schulen im Süden der Stadt bereit wären, beispielsweise mehr Flüchtlingskinder aufzunehmen und auch die nötigen Kapazitäten dazu hätten.

„Die Familien können es aber oft organisatorisch nicht umsetzen und am Ende füllen die Kinder dann hier die ohnehin schon vollen Klassen auf“, so Straetling. Je nach Grundschule würden so schätzungsweise zwischen einem und über 40 Kinder aus außereuropäischen Staaten unterrichtet.

Deckelung der Klassengrößen in Brennpunkten

Um die Kinder gerechter auf die verschiedenen Schulen zu verteilen, schlagen die Grundschulrektoren vor, dass für sozial schwache Schüler die Fahrtkosten übernommen oder spezielle Busse eingesetzt werden könnten. Auch eine Reduzierung der maximalen Klassengröße in Brennpunkten würde die dortigen Schulen entlasten.

Nicht nur Flüchtlinge, auch viele Kinder aus EU-Ländern wie Polen und Tschechien starten mit keinen oder wenigen Deutschkenntnissen ins Schulleben. Eine Herausforderung für die Lehrer. „Aber die Kinder brauchen ein Jahr, dann können sie problemlos mitmachen“, so Straetling.

„Willkommensklassen“ zur Entlastung

Dennoch würden sich die Grundschulrektoren zur Entlastung „Willkommensklassen“ wünschen, in denen die Schüler zunächst Deutsch lernen, bevor sie in reguläre Klassen integriert werden. „Aber wir werden so gut es geht vom Schulamt unterstützt“, betonen die beiden Schulleiter.

Große Probleme bereiten den Lehrern auch oft Kinder, die hier geboren wurden, aber dennoch nur radebrechend Deutsch sprechen. „Und das liegt an der sozialen Schicht, der Struktur des Wohnraums um die jeweilige Schule herum. Es ist keine Frage der Nationalität“, sagt Daum, die an ihrer Schule besonders die türkischstämmigen Familien als sehr leistungsorientiert erlebt.

Wenig Unterstützung aus dem Elternhaus

Vielmehr als die sprachlichen Probleme habe eben der soziale Hintergrund

36 Euro Elternbeitrag pro Kind und Schuljahr

36 Euro Elternbeiträge erhalten Grundschulen pro Schuljahr und Kind. 24 Euro davon übernimmt die Stadt, zwölf Euro die Eltern.

Diese Beiträge werden gleichmäßig auf die Schulen verteilt. Die Rektoren wünschen sich, dass Schulen in sozial schwächeren Vierteln prozentual mehr erhalten.

der Schüler das Unterrichten verändert. Gerade Kinder aus bildungsfernen Schichten erhielten wenig bis keine Unterstützung aus dem Elternhaus. „Nur sehr wenige meiner Schüler kennen es von Zuhause, vorgelesen zu bekommen“, nennt Daum ein Beispiel. Auch hapere es oft an einfachen Umgangsformen, die erst erlernt werden müssen.

Auch was die Lehrmaterialien angehe, seien die Schulen je nach Umfeld sehr unterschiedlich aufgestellt. Finanzkräftige Elternbeiräte würden erheblich zur Ausstattung an manchen Schulen beitragen. „Diese Kinder haben Möglichkeiten, die unseren Schülern vorenthalten bleiben“, so Daum.