Witten. An der Wittener Ardeystraße verfallen mehrere Häuser, die an Arbeiter aus Osteuropa vermietet werden. Die Stadt kann noch nicht einschreiten.
Der Putz bröckelt. Die Türen sind mit Alufolie verkleidet und die kaputten Fensterscheiben mit Brettern vernagelt. Am Rande der Wittener Innenstadt verfallen einige Häuser zusehends, die teils an Arbeiter aus Osteuropa vermietet werden. Die Umstände, unter denen die Menschen dort leben, beschreiben Anwohner als desaströs. Trotzdem, betont Rainer Lohmann, Leiter des Bauordnungsamts: In Witten gibt es keine Häuser, die in die Kategorie „Schrottimmobilie“ fallen. Sechs Gebäude sehen aber unter genauerer Beobachtung: drei Häuser am Crengeldanz, eins in der Steinstraße und zwei an der Ecke Ardeystraße/Annenstraße.
Über die heruntergekommenen Häuser an der Ardeystraße gibt es schon lange Klagen. Die WAZ berichtete schon 2014. Passiert ist seitdem offenbar nichts. „Im Gegenteil, es wird hier an der Ecke immer schlimmer“, sagt Anwohner Rolf K.. Er wohnt im Haus gegenüber und kann das Geschehen gut überblicken.
Geschlafen wird auf einer Matratze in der Küche
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Sonntags zum Beispiel würden Wagen vorfahren, aus Polen, Tschechien, Rumänien. Meist beziehen acht bis zehn Männer eine der Wohnungen, die an Monteure vermietet werden, so der Anwohner. Es seien Bauarbeiter, die auf Großbaustellen im Ruhrgebiet eingesetzt werden. „Die Letzten haben einen Lidl hochgezogen.“ Einer, der ein wenig Deutsch sprach, habe ihm mal sein Leid geklagt: Ein Vermittler weise ihnen die Wohnung zu, für eine andere Bleibe habe man kein Geld. An den Vermittler müsse er 20 Euro pro Nacht zahlen, um auf einer Matratze in der Küche zu schlafen. Ihre Kleidung waschen die Männer in einem Eimer auf dem Balkon.
Die Ladenlokale im Erdgeschoss stehen leer. Teilweise sind die Schaufensterscheiben eingeschlagen und nur notdürftig mit Brettern geflickt. Auch dort habe man schon Matratzen liegen gesehen, auf denen Menschen übernachtet hätten, sagt ein anderer Nachbar. Und Ratten! Rolf K. will sogar Kinder gesehen haben, „mindestens 18“ seien das gewesen, die mitsamt ihren Habseligkeiten in Plastiktüten in einer Nacht und Nebel wieder verschwunden seien.
Ob das stimmt? Die Hauseigentümerin, der mehrere Liegenschaften in dem Quartier gehören, spricht von „unrichtigen Behauptungen“. In den ehemaligen Geschäftslokalen wohne niemand. Die darüberliegenden Wohnungen seien von ausländische Monteuren bewohnt, die Wohnungen seien aber nicht überbelegt. Und auf dem Grundstück liege kein Müll, sondern Bauschutt, sagt die Vermieterin. Er sei beim Umbau eines Ladenlokals angefallen und werde nun zwischengelagert.
Die Häuser sehen zwar unschön aus, aber von ihnen geht keine Gefahr aus, sagt Bauordnungsamtsleiter Lohmann. Seine Dienststelle und das Ordnungsamt waren auf Initiative der SPD-Ratsfrau Petra Schubert bereits vor Ort, um die Häuser zu kontrollieren. Allerdings wurden weder etwas Sicherheitsrelevantes noch eine Überbelegung festgestellt. Somit gibt es für die Stadt keine Handhabe, gegen die möglichen Missstände vorzugehen. Lediglich wegen der Vermüllung wurde der EN-Kreis informiert. „Die Häuser sind ein Schandfleck für Witten“, sagt Petra Schubert. „Bedauerlich, dass man da nicht beikommen kann.“
Schmerzgrenze noch nicht überschritten
Der Müll scheint tatsächlich ein Problem zu sein. Die Bruchschule grenzt mit ihrem Schulhof und einem Fußweg direkt an das Gelände der betreffenden Häuser in der Ardeystraße. Ein Metallzaun gibt den Blick frei auf Bauschutt und Verpackungsmüll. Schulleiterin Susanne Daum ärgert das: „Es ist schwer, den Kindern das Aufräumen beizubringen, wenn sie tagtäglich sehen, dass die Nachbarn sich auch nicht benehmen können.“ Ihre Schule beteilige sich auch nicht mehr an Müllsammelaktionen in der Umgebung. „Ich möchte nicht, dass die Kinder eine Spritze oder ein gebrauchtes Kondom in die Hand nehmen.“
Wie stark muss ein Viertel verfallen, bevor eine Kommune einschreitet? „Wir brauchen eine gewisse Schmerzgrenze, die überschritten wird“, sagt Amtsleiter Rainer Lohmann. Und im Falle Ardeystraße „sind wir davon nicht weit weg“. Schlecht sei die Gegend an der Ardeystraße/Annenstraße nicht, mit vielen seriösen Mietern wie der AOK oder in dem Haus der ehemalige Sparkassenfiliale. Lohmann: „Darum muss man gut aufpassen, dass durch solche Objekte das Umfeld nicht noch weiter herunterkommt.“