Wattenscheid. . Angelika Freimann-Guske arbeitet in der Nachtwache der Diakonie in der Wattenscheider Swidbertstraße. Im Wohnzimmer-Ambiente kümmert sich die 57-Jährige um ihre obdachlosen Gäste. Ein spannender Job: “Jede Nacht kann etwas anderes passieren.“
Das Licht ist gedimmt, die Kerzen flackern auf den Tischen. Aus dem Fernseher ertönt die Titelmelodie von „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Das ist nicht die Beschreibung eines üblichen Vorabends im gemütlichen Wohnzimmer, es ist die Situation in der Nachtwache der Diakonie an der Swidbertstraße.
Für das nette Ambiente sorgt Angelika Freimann-Guske. Früher hat sie „alles Mögliche“ gemacht, seit der Eröffnung der Wattenscheider Nachtwache für Obdachlose ist sie mehrmals in der Woche dort. Von 18 bis 8 Uhr morgens hält sie die Stellung: „Meine Arbeit ist eine Wundertüte. Jede Nacht kann etwas anderes passieren, aber irgendwo sind wir auch alles für die Leute“, schildert die 57-Jährige.
Manchmal auch Handgreiflichkeiten
Ich treffe mich mit ihr um Punkt 18 Uhr, eine Stunde später können die Gäste kommen. Es gilt, Vorbereitungen zu treffen. Der Aufenthaltsraum soll einladend wirken, für den Hunger steht noch Essen vom Mittagstisch bereit. „Aber am Monatsanfang, wenn es Geld gab, haben die wenigsten Appetit“, berichtet Freimann-Guske aus der Erfahrung. Viele können sich dann schon einmal eine Currywurst leisten, oftmals stillen jedoch Getränke den Hunger.
Zunächst lässt sich noch niemand blicken, die Klingel bleibt ruhig. „Angie“, wie die Obdachlosen sie nennen, und ich können uns unterhalten. Sie berichtet aus dem Alltag der Straße: „Wer weiß, was ihnen heute widerfahren ist. Die werden auf der Straße angespuckt und angepöbelt, da staut sich bis zum Abend ganz schön ‘was auf. Deswegen kann es dann auch abends durchaus zu Handgreiflichkeiten kommen. Mal schlagen sie sich, dann lieben sie sich. So ist das bei uns.“
Anfeindungegen gegen die Einrichtung
Doch Angst kennt Angelika Freimann-Guske nicht. Als sie zu Anfang noch im Fliedner-Haus gearbeitet hat, ging sie bei solchen Anlässen dazwischen; „Anfängerfehler“. Heute hat sie ein dickeres Fell, die Atmosphäre an der Swidbertstraße empfindet sie klein und angenehm. Lediglich Jugendliche stören manchmal nachts die Ruhe, indem sie gegen Türen und Fenster schlagen und es kommt zum Polizeieinsatz. Insgesamt sind Anfeindungen gegenüber der Einrichtung an der Tagesordnung, aber nicht nur deswegen sucht die Diakonie ein neues zu Hause. Das Gebäude ist schlichtweg baufällig.
Es klingelt: Vincente kommt. Er schläft seit sieben Jahren in der Nachtwache, es ist schon fast ein Stück Heimat geworden. Er geht zunächst in die Küche und gibt seinen Rucksack ab. Alkohol ist verboten. „Wo ist denn der Rest der Bande?“ Vincente weiß es nicht, er geht zum Fernseher. Bis 23 Uhr ist Einlass, danach gibt’s kein rein und raus mehr. Ruhe muss sein, was schwierig genug ist, bei Dreibett-Zimmern. So langsam kommen auch die anderen Übernachtungs-Gäste, alle sind ruhig, keiner hat Hunger. „Tja, das kann man so und so deuten. Die psychischen Belastungen des Tages können unterschiedliche Auswirkungen haben. Manchmal vertrauen sie sich mir an“, sagt Freimann-Guske. Damit das nun gelingt, verlasse ich die Nachtwache.