Wattenscheid. .

Auf Kopfschütteln und Unverständnis stößt ein „Brandbrief“ des Vorsitzenden der Wattenscheider Tafel, Manfred Baasner, in dem er die Gemeinden auffordert, die Kirchen für Arme und Trostsuchende tagsüber zu öffnen.

„Es wird wieder Winter, und ich mache mir große Sorgen um Menschen, die keine Bleibe, keine eigene Wohnung haben und auf der Straße leben“, schreibt Baasner. Und weiter: „Es ist eine nicht mehr zu begreifende Haltung, dass unsere Kirchen in dieser Zeit verschlossen sind.“ Die Kirche müsse diesen Menschen eine „Zuflucht zum stillen Gebet“ ermöglichen, um „Trost und Schutz in dieser schweren Lage“ zu finden.

„Warum kommt denn jetzt ein solcher Brandbrief?“, fragt Propst Werner Plantzen. „Zu Beginn des Jahres hatten wir noch ganz andere Temperaturen.“ Dass man die Kirchen außerhalb der Gottesdienste geschlossen halte, habe „mit Vandalismus zu tun, den wir in offenen Kirchen leider registrieren müssen“. Außerdem, erklärt Plantzen, engagiere sich die Kirche an anderer Stelle für Wohnungslose.

„Es gibt keine Verschlossenheit der Kirche“, kommentiert der Höntroper Pfarrer Dr. Uwe Gerstenkorn die Forderung Baasners. In allen Gemeinden gebe es Initiativen, die Kirchen auch außerhalb der Gottesdienste zu öffnen. So sei die Kapelle an der Höntroper Straße immer donnerstags für eine Stunde geöffnet. Gerstenkorn: „Aber wir müssen auch Menschen haben, die in dieser Zeit zugegen sind – weil es leider auch Menschen gibt, die Schaden anrichten wollen.“

Auch Gerstenkorn weist auf die Angebote der Kirche für Obdachlose hin und kritisiert die Forderung des Tafel-Vorsitzenden: „Da fehlt mir ein wenig der Realitätssinn für das, was die Kirche leistet. Dass Kirchen sich verschließen würden gegenüber bestimmten Gruppen – davon kann keine Rede sein.“ Wenn Notstände gesehen würden, reagiere man darauf am besten ganz konkret, erklärt Gerstenkorn. Man habe es heutzutage weniger mit Obdachlosen zu tun, sondern eher mit Menschen, die ständig bei anderen Bekannten wohnen würden: „Denen hilft man mit Einkaufsgutscheinen viel effektiver und unauffälliger.“

„Es wäre blauäugig zu sagen: Wir machen die Kirche einfach auf und gucken, wer kommt“, sagt auch der Günnigfelder Pfarrer Christian Meier. Hinzu kämen organisatorische Probleme, spricht Meier aus Erfahrung: „Es bedeutet für uns schon einen großen Aufwand, die Kirche samstags für vier Stunden zu öffnen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir das jeden Tag stemmen könnten.“ Immerhin gebe es dieses geistliche Angebot einmal wöchentlich.

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Von DerWesten

Arno Mücke vom Betreuten Mittagstisch für Wohnungslose der Diakonie kennt die Not seiner Klienten: „Wenn wir zwischen vierzehn und neunzehn Uhr schließen, ist die Zeit bei dieser Kälte schwer zu überbrücken.“ Aber: „Es gibt auch die Möglichkeit zu voll-stationärer Hilfe.“ Dann müsse aber der Wille da sein, seinen Lebenswandel zu ändern. „Und der ist nicht bei allen vorhanden, da muss man realistisch bleiben.“

Zwar würde sich der Diplom-Sozialarbeiter freuen, wenn sich seine Klienten tagsüber irgendwo im Warmen aufhalten könnten. „Aber mir ist noch nie zu Ohren gekommen, dass jemand das in der Kirche tun will.“ Konfrontiert mit den Worten von Manfred Baasner, der Bedarf, Trost in der Kirche zu suchen, sei sehr groß, schüttelt Arno Mücke den Kopf: „Nicht einer hat diesen Wunsch einmal geäußert.“