Wattenscheid. Auf der Straße schlafen müssen Obdachlose in Wattenscheid nicht. Ein warmes Plätzchen suchen sie allerdings während der Stunden, in der die Wohnungslosenhilfe und der Mittagstisch an der Swidbertstraße geschlossen sind - oft vergeblich.

Eine Spielstube – das ist Tomtoms (39) Traum. Ein Raum, in dem es warm ist, wo Kaffee trinken, Karten spielen oder einfach quatschen kann. Ein Raum, in dem Obdachlose wie Tomtom in der kalten Jahreszeit die Zeit verbringen können, in der die Wohnungslosenhilfe an der Swidbertstraße geschlossen hat. "Das Problem ist die Kälte, die zwölf Stunden, wo hier zu ist.”

Einen Schlafplatz hat Tomtom: bei der Diakonie, die zehn Betten bereit hält. „Das ist viel familiärer als in Bochum, wo's achtzig Plätze gibt. Aber morgens um acht muss man hier raus.” Da ist Tomtom bei Minusgraden froh, „dass ich hier um 19 Uhr wieder rein kann, ein warmes Essen kriege und Fernsehen gucken kann – alles, was man tun würde, wenn man 'ne eigene Wohnung hätte”.

"Egal, ob es stürmt oder schneit - die jagen uns raus"

Das Problem, das ist die Zeit dazwischen. Dort, wo es warm ist wie zum Beispiel im Gertrudiscenter, sind die Wohnungslosen nicht gern gesehen. „Egal, wo wir uns hinstellen – innerhalb von einer Stunde ist die Polizei da”, sagt Tomtoms Kumpel Andreas (45). „Da kann es draußen stürmen und schneien: Die jagen uns raus.” In ganz Wattenscheid, beklagen die Beiden, gebe es keine Möglichkeit, irgendwo hinzugehen. „Am Bebelplatz”, sagt Andreas, „haben wir viermal in einer Woche die Polizei gehabt – selbst wenn wir uns da nur unterstellen.”

Job weg, Frau weg - da griff Andreas zur Flasche

„Klar”, räumt Tomtom ein, „wenn wir zu viele sind und welche zu viel geschnaselt haben, dann beschweren sich die Leute. Das kann ich ja auch verstehen.” Ohne Hochprozentiges geht's aber nicht: Tomtom und Andreas sind beide Alkoholiker. „Wenn du das Zeug nicht kriegst, fängst du an zu krampfen und zu zittern.” So würden einige Kumpel die Schlafplätze an der Swidbertstraße schon morgens um sechs verlassen, „weil sie Saufdurst haben”. Denn in der Einrichtung ist Alkohol streng verboten.

Dass es der „Sprit” ist, der ihnen jede Perspektive auf ein bürgerliches Leben nimmt, wissen Andreas und Tomtom. „Deshalb kriegt man auch keine Arbeit”, sagt Tomtom. Vom Heroin ist er seit zehn Jahren weg, „aber ohne Alkohol schafft mein Körper es nicht”. Vor ein paar Jahren, erzählt er, habe er es nach Knastaufenthalt und Heroinentzug mal geschafft, auf eigenen Beinen zu stehen, lebte mit seiner Freundin zusammen. Dann gab es Krach, und Tomtom bekam zehn Tage Hausverbot. „Da war ich zum ersten Mal hier an der Swidbertstraße.”

Langzeitgäste

60 Prozent der Schlafplätze an der Swidbertsraße, sagt Sozialarbeiter Arno Mücke, seien für Dauergäste gedacht, „so dass die Leute hier für ein Jahr oder länger übernachten”.

Acht von zehn Betten sind zurzeit belegt, abgewiesen wird niemand. Aber die Klienten müssen bis 23 Uhr da sein – und einmal im Monat in die Beratung kommen.

Bei Andreas folgte der Alkohol nach Jobverlust und Scheidung. „Und dann hab' ich keine Miete und keinen Strom bezahlt”, erinnert sich der 45-Jährige. „Ein Jahr lang war ich wirklich auf der Straße, da habe ich auch draußen geschlafen.” Dass sie wenigstens einen Schlafplatz im Warmen haben, darüber sind die beiden froh. Und darüber, dass sie manchmal tagsüber bei einem Kumpel unterschlüpfen können, der eine Wohnung hat. „Es gibt Leute, die kaufen sich eine Monatsfahrkarte und fahren den ganzen Tag durch die Gegend, nur um nicht in der Kälte sein zu müssen”, weiß Tomtom. „Es geht doch nur um ein paar Minuten Wärme.”