Datteln. Rechtsvertreter und BUND haben Konsequenzen aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts gezogen und den Baustopp des EON-Kohlekraftwerks in Datteln beantragt. Die Bezirksregierung soll innerhalb von zehn Tagen entscheiden.

Gleich doppelt gingen am Montag, 7. September, die Anträge bei der Bezirksregierung in Münster ein: Philipp Heinz, Rechtsanwalt von Marieluise und Heinrich Greiwing, und der BUND haben ihre Ankündigungen wahr gemacht: Sie fordern den Baustopp für das Eon-Kohlekraftwerk in Datteln ein. Binnen einer Frist von zehn Tagen soll dies geschehen, so Anwalt und Umweltschutzorganisation unisono.

Bebauungsplan unwirksam

Die Anträge gehen auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zurück, das vergangenen Donnerstag den Bebauungsplan 105 für das 64 ha große Areal im Süden Dattelns für unwirksam erklärt hatte. Er könne sich nicht vorstellen, dass die Bezirksregierung die Anträge nach diesem Urteil ablehnt, schätzt Jurist Heinz die Lage ein. „Möglich ist, dass man Eon trotz Baustopp noch eine Frist einräumt, um die Baustelle zu sichern.” Dass man im Dattelner Rathaus den Standpunkt vertrete, man habe nichts falsch gemacht, überrasche ihn nicht. Heinz: „Das ist schließlichlich eine heftige Konsequenz, mit der wahrscheinlich weder Eon noch die Stadt gerechnet hat.”

„Wir können zum jetzigen Zeitpunkt keinen Baustopp verfügen.” Sigrun Rittrich, Sprecherin der Bezirksregierung sagte dies gestern unter Verweis auf die noch ausstehende Urteilbegründung des 10. OVG-Senats. „Natürlich haben wir das Urteil zur Kenntnis genommen und sehen auch die Tragweite.” Eine Gesamtabwägung sei aber zurzeit noch nicht möglich.

Eon-Sprecher zurückhaltend

Zurückhaltend gab sich auch der Düsseldorfer Eon-Sprecher Dr. Christian Dreppe. „Wir müssen das Verfahren erst einmal juristisch bewerten”, wiederholte er auch vier Tage nach dem Richterspruch, räumte indes ein, dass die Regresspflicht eine der Fragen sei, um die es bei der juristischen Prüfung gehe. Das OVG-Urteil treffe nicht nur das Dattelner Kraftwerk, sondern die Nachfolgegeneration der alten Kraftwerke, die noch am Netz seien, so Dreppe. Der Baustopp habe zudem einen anderen als nur den juristischen Aspekt: „Es geht hier auch um 2600 Beschäftigte, die auf der Baustelle arbeiten.”

Hintergrund

Schon 2007 gab es einen Baustopp

Bereits im Februar 2007 hatte der BUND einen vorrübergehenden Baustopp für das Kraftwerk erwirkt. Der Sprecher des Bundes für Umwelt und Naturschutz, Dirk Jansen, erinnert daran, dass Eon bei einem Ortstermin eine Erklärung zu Protokoll gegeben habe, in der es heiße, dass sich Eon für den Fall, dass eine Realisierung des Kraftwerkvorhabens aus genehmigungsrechtlichen Gründen endgültig scheitern sollte, gegenüber der Bezirkregierung verpflichte, das Baugelände wieder herzustellen und zu rekultivieren. Das dokumentiere, so Jansen, dass Eon sich über die Konsequenzen eines Weiterbaus bewusst gewesen sei.

Der DGB in der Emscher-Lippe-Region zeigte sich über die Bebauungsplan-Aufhebung entsetzt. „Wenn bei industriellen Vorhaben ein Abstand von über 400 Metern zur Wohnbebauung nicht ausreichend ist, dann ist die weitere Deindustrialisierung vorprogrammiert. Es gibt hier keine großen Industrieflächen mehr außerhalb des New-Park-Geländes”, lautet die Befürchtung von DGB-Vorsitzendem Josef Hülsdünker. Der DGB werte die Entscheidung des OVG vor allem als „eine Entscheidung gegen die Steinkohle”. Zu befürchten sei ein Präzedenzcharakter des Urteils auf die geplanten Kraftwerke in Marl und Herne. „Wenn nun auch dort eine derartig enge Rechtsauslegung erfolgt, wird es sehr schwierig, die erforderliche Erneuerung der Hälfte des Kraftwerkparks in NRW sicher zu stellen.”

Als wegweisende Entscheidung für den Klimaschutz wertete der NRW-Landesverband des BUND den Richterspruch. „Daraus ergibt sich zwingend die Notwendigkeit, den Bau still zu legen”, sagte BUND-Sprecher Dirk Jansen. „Wir behalten uns vor, den Baustopp gerichtlich durchzusetzen.” Dass dies für Eon Konsequenzen haben könnte, quittierte Dirk Jansen mit der Feststellung: „Die haben schließlich in voller Kenntnis des Risikos die Millionen verbaut.” Die großen Konzerne hätten in ihrer Denkweise gar nicht drin, dass sie auch mal scheitern können.