Velbert. . Trotz des Geständnisses ergeben sich aus den Aussagen des früheren Steuerberaters und Velberter DRK-Schatzmeister im Prozess vor dem Landgericht Wuppertal viele Ungereimtheiten. An diesem Montag steigt der fünfte Verhandlungstag. Der Angeklagte muss sich wegen Veruntreuung verantworten.

Dass eine Zeugenbefragung ähnlich viel Zeit in Anspruch nehmen könne wie beim spektakulären NSU-Prozess in München, hat Norbert Müller am vergangenen Montag sicherlich auch mit einem Schuss Ironie gesagt.

Allerdings: Obwohl der frühere Velberter Steuerberater und DRK-Schatzmeister Jürgen L. schon gestanden hat, mehr als eine halbe Million Euro veruntreut zu haben, könnten weitere Zeugen vielleicht die Ungereimtheiten aufklären, wegen derer der Vorsitzende Richter und der Staatsanwalt vor Wochenfrist intensiv nachbohrten. Ob L. die immer neu aufkommenden Fragen zur Zufriedenheit der zweiten Wirtschaftskammer des Landgerichts Wuppertal beantwortet kann, zeigt sich heute um 9.15 Uhr beim fünften Verhandlungstag.

Frage nach Anlagevermögen

Reichlich undurchsichtig jedenfalls ist das Vorgehen des 64 Jahre alten Velberters in Bezug auf den Privatmann Prior, für den L. eine Generalvollmacht hatte. Dessen Nachlass war angeblich völlig überschuldet, als er in die Winterscheidt-Stiftung überging. Kurz vor Priors Tod erwirkte L. eine Testamentsänderung.

Was Prior von seiner verstorbenen Mutter vermacht bekommen hatte, verkaufte L., um damit dann Priors Erben auszubezahlen und sie aus seinem Letzten Wunsch streichen zu lassen. Stattdessen wurde eine andere Frau ins Testament aufgenommen.

Aber: In welchem Verhältnis stand sie zu Prior – oder auch zu Jürgen L.? Wie konnte es sein, dass das Erbe überschuldet war, wenn Prior laut Aussage von Jürgen L. „nie arbeiten musste“, also genug Geld da gewesen sein muss? Gab es womöglich anderswo noch Anlagevermögen? Hat sich die neu eingesetzte Erbin nicht vorher mal schlau gemacht, was sie in diesem Fall denn erwartet?

Sehr interessiert haben sich Richter und Staatsanwalt auch für L.s aktuelle Lebensumstände und seine Beschäftigung. Müller äußerte den Verdacht, dass L. sein Berufsverbot nach dem Verlust der Zulassung als Steuerberater umgehe, indem er seine „Praxis eingepflanzt“ habe beim Rechtsanwalt R., der ihn als Steuerfachgehilfe angestellt hat und wo L. auch heute noch Finanz- und Wirtschaftsberatung anbietet.

Jürgen L. verdient 2300 Euro netto

R. wollte sich auf WAZ-Nachfrage am Freitag nicht dazu äußern. Bei ihm bezieht L. monatliche Einkünfte in Höhe von 2300 Euro netto, von denen er aber aufgrund der privaten wie auch geschäftlichen Insolvenz nicht viel haben dürfte. Bliebe also nur das Einkommen seiner Frau, die als Gesellschafterin einer Firma nur 1000 Euro monatlich bekäme. Frau L. ist jedoch im Handelsregister seit 2006 auch als Geschäftsführerin einer anderen Firma geführt.