Wuppertal/Velbert. . Obwohl der frühere Steuerberater am vergangenen Montag geständig war, bohrten die Richter und der Staatsanwalt am Montag im Verfahren gegen den ehemaligen DRK-Schatzmeister noch einmal kräftig nach. Mit der Folge, dass L. nicht mehr so souverän wirkte. Er soll über eine halbe Mio Euro veruntreut haben.

Seine Hand wirkte aus ein paar Metern Entfernung etwas zittrig, trotzdem griff Jürgen L. immer wieder zum Stift und machte sich Notizen. Häufig brach der ehemalige Steuerberater, der wegen Untreue in 51 Fällen und einem Gesamtschaden in Höhe von mehr als einer halben Million Euro vor dem Landgericht Wuppertal steht, seine Ausführungen ab – mal von sich aus, mal wurde er gestoppt von seinem Anwalt und bestätigte dessen Aussagen anschließend nur. Der 63 Jahre alte Velberter wirkte am vierten Verhandlungstag in manchen Situationen, in denen die Richter und der Staatsanwalt bei mehreren Anklagepunkten nachbohrten, nicht mehr so souverän wie noch in der Vorwoche.

Plan gescheitert?

Jürgen L. machte weitere Angaben zu den Vorwürfen und seinen Besitzverhältnissen – immer aber, wenn der Prozess einen Schritt vorankommen könnte, hatte er Unterlagen nicht dabei, konnte sich an Zahlen oder Details nicht erinnern und verwies stets auf Akten, in denen er aber noch nachschauen könnte. Dabei verstrickte er sich auch in Widersprüchen, was sowohl den Richtern und dem Staatsanwalt wie auch seinem Verteidiger auffiel. Wenn es denn ein Plan war, mit dem Geständnis vom vergangenen Montag relativ schnell den Prozess zu beenden, so scheint dieser momentan nicht aufgegangen zu sein.

Ein solcher Fauxpas ergab sich zum Beispiel, als es um den 2006 verstorbenen Privatmann Prior ging, dessen Erbe in die Winterscheidt-Stiftung übergehen sollte, obwohl nicht klar ist, welche Beziehung es zwischen Prior und dem Stiftungsgründer gegeben hat. Mit einer Generalvollmacht für Prior ausgestattet („Ich habe seine Angelegenheiten geregelt, es hat sich ja niemand um ihn gekümmert“), hat L. sich selbst zwei Darlehen in Gesamthöhe von 100 000 Euro gegeben. Es gab dazu aber nicht die notwendigen Verträge, sondern nur den Darlehens-Vermerk auf dem Überweisungsträger. „Das müsste sich aus den Akten ergeben“, sagte L. Das Problem: Die Staatsanwaltschaft hatte schon vermeintlich alle Akten durchsucht und nichts darin gefunden. Als Prior im Jahr vor seinem Tod schwer erkrankte, nannte L. gegenüber einem Notar „dringenden Handlungsbedarf“, das Testament zu ändern. So soll er verfügt haben, dass das Geldvermögen in die Stiftung überging, eingetragene Erben ersatzlos gestrichen wurden und stattdessen eine andere Frau im Nachlass berücksichtigt wurde.

Mögliche Zeugen im Zuhörerbereich

Übrigens: Nicht alle Zuhörer am Landgericht erlebten das Ende dieser Verhandlung, da sie selbst noch als mögliche Zeugen im weiteren Prozessverlauf in Betracht kämen und nach diesem Hinweis des Richters den Saal verließen. Ob sie tatsächlich aussagen müssen, ist noch unklar. Allerdings erwähnte der Vorsitzende Richter nicht bloß im Spaß, dass, falls alle Zeugen gehört würden, es dann ähnlich lange dauern könnte wie beim gestarteten NSU-Prozess in München.

Viele Nachfragen hatte der Staatsanwalt zu den Eigentumsverhältnissen von Jürgen L., der sich im August 2011 als zahlungsunfähig meldete. Gegen ihn soll es nach eigenen Angaben Forderungen von bis zu 600 000 Euro geben, plus weitere Forderungen, die vom Insolvenzverwalter bestritten werden. Nachdem er 2008 sein Steuerberatungsbüro, das er mit zwei Geschäftspartnerinnen hatte, verlassen hatte, stellte ihn ein Velberter Rechtsanwalt als Steuerfachgehilfe ein, die Kanzlei sei an anderer Stelle nur „eingepflanzt worden“, sagte der Vorsitzende Richter. L. bekam wohl ein Nettomonatsgehalt von 2300 Euro, dazu Fahrkostenerstattung für Dienstfahrten.

Zur Miete auf Mallorca

Der Vorsitzende Richter konnte das Gehalt nicht nachvollziehen, denn: Eine Hochrechnung 2008 (L.s Mandanten konnten sich entscheiden, ob sie ihm folgen wollten – was die meisten wohl auch taten) ergab, dass der Rechtsanwalt mit einem monatlichen Gewinn von 20 000 Euro vor Steuern rechnen könnte.

L. gab an, dass die Ausgaben inzwischen durch zusätzliches Personal gestiegen seien. Auch hier warf der Richter die Stirn in Falten: wo mehr Personal, da mehr Arbeit und da auch mehr Ertrag. Ende 2011 verlor L. seine Zulassung als Steuerberater und war insolvent. Dass er, wie im Prozessverlauf angegeben, seitdem den Einkünften seiner Frau lebe, verwunderte die Richterin – schließlich beziehe die doch nur 1000 Euro und habe ein „kleines Erbe“ gemacht. Seinen Angaben zufolge habe das Paar eine Mietwohnung auf Mallorca, wofür im Monat 500 Euro anfielen.