Velbert. Wasser ist ein zu kostbares Gut, als es einfach bloß schnell abzuleiten. Die Technischen Betriebe Velbert haben Beispiele, wie es schlauer geht.

Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde das Konzept der sogenannten Schwammstadt eher mitleidig, ja desinteressiert belächelt und als läppisch abgetan. Das hat sich allerdings infolge der jüngsten, zuvor in diesem Ausmaß nicht dagewesenen „Starkregen-Ereignisse“ und Hochwasser-Katastrophen, von denen eine im Sommer 2021 auch Velbert-Langenberg und -Neviges heimgesucht und verheert hat, sehr rasch und gründlich gewandelt. In Velbert ist das veränderte Denken allerdings nicht ganz so neu. „Wir bauen so etwas schon seit 20 Jahren auf“, berichtet Bernhard Wieneck von den Technischen Betrieben Velbert (TBV). Das Grundprinzip: Bei Bauvorhaben den natürlichen Wasserkreislauf berücksichtigen.

Auf rund 28.000 Quadratmetern sind hier in Tönisheide Reihenhäuser, Doppelhaushälften und frei stehende Einfamilienhäuser errichtet worden. Und ein Regenrückhaltebecken plus Rigole.
Auf rund 28.000 Quadratmetern sind hier in Tönisheide Reihenhäuser, Doppelhaushälften und frei stehende Einfamilienhäuser errichtet worden. Und ein Regenrückhaltebecken plus Rigole. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Was die Velberter Betriebe schon gemacht haben

Früher sei das Ziel gewesen, sowohl Regenwasser als auch Abwasser über Entwässerungsleitungen möglichst schnell und vollständig den Vorflutern, also Wasserläufen, bzw. den Kläranlagen zuzuleiten. Bereits vor gut zwei Jahrzehnten sei man jedoch dazu übergegangen, in Neubaugebieten immer Trennsysteme - hierbei werden Schmutz- und Regenwasser in separaten Leitungen geführt - anzulegen oder für Versickerung zu sorgen, schildert der Leiter Technik. Wenn möglich, werde das auch bei Sanierungen praktiziert. Der Bauingenieur legte jetzt erneut in einem Ratsgremium dar, was die TBV machen bzw. gemacht haben und welchen Weg sie weiter gehen wollen.

Geheizt werden sollen die im Gebiet Fellershof geplanten Wohneinheiten zentral mittels Geothermie. Die Stadtwerke Velbert werden dieses Nahwärmenetz betreiben.
Geheizt werden sollen die im Gebiet Fellershof geplanten Wohneinheiten zentral mittels Geothermie. Die Stadtwerke Velbert werden dieses Nahwärmenetz betreiben. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Auf jeden Fall auch weniger versiegeln

Es geht dabei um eine Stadt, die Wasser - auch im Fall von Starkregen - nicht komplett über die Kanalisation ableitet, sondern es wie ein Schwamm speichert, auch um es in Hitzephasen zur Kühlung wieder abzugeben. Kennzeichnend für eine Schwammstadt sind weniger Versiegelung, begrünte Dächer und Fassaden, wasserdurchlässige Straßen und Gehwege, ringsum Abfanggräben und Regenspeicher im Erdboden.

Pufferspeicher unter der Erdoberfläche

Mit Blick auf den natürlichen Wasserkreislauf wird das Regenwasser vor Ort aufgenommen und gespeichert und eben nicht mehr wie früher bloß in Kanälen abgeleitet. Mittel der Wahl sind dabei Versickerung, (verstärkt) Einleitung in Bäche sowie deren Renaturierung, Baum-Rigolen, Entsiegelung von Flächen und Schaffung von Rückhalteräumen, sogenannten Retentionsflächen. Bei dem Instrument der Rigole handelt es sich um einen unter der Oberfläche angelegten Pufferspeicher. Dieser kann eingeleitetes Regenwasser aufnehmen und es nach und nach versickern.

Bernhard Wieneck ist bei den TBV Leiter Technik. Das Foto ist schon älteren Datums, passt aber gut zum Thema. Anlass des Ortstermins waren damals nämlich die Bach-Renaturierung und die Beseitigung des alten Mischwasserklärbeckens.
Bernhard Wieneck ist bei den TBV Leiter Technik. Das Foto ist schon älteren Datums, passt aber gut zum Thema. Anlass des Ortstermins waren damals nämlich die Bach-Renaturierung und die Beseitigung des alten Mischwasserklärbeckens. © FUNKE Foto Services | Heinz-Werner Rieck

Regenwasser dem Erdreich und Grundwasser zuführen

TBV-Beispiele für umgesetzte Maßnahmen gibt es eigentlich über das gesamte Stadtgebiet verteilt. So arbeitet man beim Neubaugebiet südlich der Wimmersberger Straße mit Regenrückhaltebecken und Rigole. Zum Konzept der Erschließung des künftigen Wohnungsbaugebietes Wilhelmshöhe gehören separate Versickerungsanlagen sowohl für das Regenwasser auf privaten Grundstücken als auch im öffentlichen Straßenraum, so dass dieses dem Erdreich bzw. Grundwasserspiegel zugeführt wird. Das Neubaugebiet Fellershof, dort hat just die Erschließung begonnen, wird ebenfalls über ein Trennkanal-System verfügen, so dass Regen- und Schmutzwasser separat geführt werden. Für das Niederschlagswasser wird im oberen Teil des Areals ein Versickerungsbecken gebaut, der untere Teil entwässert in den Deilbach.

Versickern und renaturieren

Und bei der Neuplanung der Ost- zwischen Grün- und Südstraße, um mal eine Maßnahme im Bestand zu nennen, wurden mehrere kleinere Retentionsräume geschaffen, außerdem Sinkkästen und unter der Fahrbahn Rigolen eingebaut. Weitere Praxis-Beispiele finden sich in den Bereichen Flandersbach, Uferstraße und Neubaugebiet obere Hügelstraße; der Motschenbrucher Bach ist in Teilen aus dem ehemaligen Rohr befreit und renaturiert. Beim Herrichten des Dom- bzw. Pilger-Parkplatzes an der Bernsaustraße spielten bei den Überlegungen drei Faktoren eine maßgebliche Rolle: Parkflächen, Bäume und der Schutz einer Altlast. „Das ist selbstverständlich eine Kompromisslösung“, kommentiert Wieneck die Planung. „Aber das Beste, was da möglich ist.“