Velbert. Was dieses Jahr in Velbert alles bewegt werden soll, was den Bürgermeister selbst bewegt und wo es hakt: ein Gespräch mit Dirk Lukrafka.

Die absehbare Inbetriebnahme der neuen dreizügigen Grundschule Grünstraße, die erfolgte symbolische Grundsteinlegung für die künftige Gesamtschule Neviges, neben der an der Poststraße die nunmehr zweite städtische, und der Umstand, „dass wir nach zwei Jahrzehnten endlich mit Schloss Hardenberg loslegen“ - das sind aus Sicht Dirk Lukrafkas allemal Fortschritte und Projekte, „mit denen wir uns sehen lassen können. Echt positiv!“ Weiter sei das Vorhaben Fellershof in Langenberg ein „Superthema. Das zeigt, dass wir mit Wohnungsbau-Gebieten vorankommen“. Dort nehmen die TBV heuer die Erschließung in Angriff. Aber der Velberter Bürgermeister schlug beim Blick auf 2024 im Gespräch mit der WAZ auch sehr besorgt-nachdenkliche und ernste Töne an.

Antisemitismus auch in Velbert ein ernstes Thema

Vermisst Antworten auf drängenden Fragen: Bürgermeister Dirk Lukrafka.
Vermisst Antworten auf drängenden Fragen: Bürgermeister Dirk Lukrafka. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

„Antidemokratische Gruppen haben zunehmend mehr Fürsprecher. Das wird für dieses Jahr echt ein Thema“, sagt er. „Das merken wir auch in unserer tagtäglichen Arbeit“, fügt der 55-Jährige hinzu, der ja qua Amt auch Chef der Verwaltung ist. Die größte Herausforderung stelle jedoch der Antisemitismus dar. Die Stimmung sei nach dem Hamas-Angriff „erschreckend gekippt. Das hat leider wirklich eine neue Qualität“. Beim gemeinsamen Gedenkgang mit dem „Bündnis gegen Antisemitismus“ am 9. November habe er unverständliche, skeptische Blicke und finstere Mienen erlebt. Es kämen auch entsprechende Reaktionen aus anderen Bevölkerungsgruppen als bisher: „Das hat mich sehr erschrocken.“

Baukosten und Förderung klaffen weit auseinander

Bei Themen wie Schulen und Kitas, wo die Schere zwischen Baukosten und Förderung immer weiter auseinander klaffe, bei Pflegeheimen, Infrastruktur, Krankenhaus etc. vermisst Lukrafka Antworten auf drängende Fragen der Kommunen. Und zwar von Bund und Land, deren Unterstützung und Rückhalt deutlich größer sein müssten. Die beiden neuen Schulen schlügen z. B. Jahr für Jahr mit einer Etat-Belastung in Höhe von 6,7 Millionen Euro zu Buche bei einem Gesamt-Investment von 107 Millionen. Das müsse Velbert alleine wuppen.

Steuererhöhung wird kommen

Der Haushaltsplan-Entwurf für 2024 kommt Mitte Februar in den Rat, Velberts Finanzlage ist prekär. „Wir werden Steuern anheben müssen“, so der Bürgermeister auf Nachfrage, „aber das genaue Maß, also die Prozentpunkte, ist noch nicht klar.“ Die Grundsteuer B - sie betrifft Hauseigentümer und somit letztlich auch Mieter - wurde letztmalig 2013 um 110 auf 550 Punkte angehoben. Bei der Gewerbesteuer gab es zuletzt in 2003 einen Anstieg von 405 auf 440 Punkte.

Vakante Stellen kein Exklusiv-Problem

Die Personalaufwendungen bei der Stadt seien mit 63,6 Millionen „relativ günstig“. Es sei „kein exklusives Velbert-Problem“, kommentiert er den Umstand von rund 100 unbesetzten Stellen. Das betreffe vor allem Sozialarbeiter, Erzieher, Rettungsdienst, Feuerwehr-Leute und Ingenieure sowie den allgemeinen Verwaltungsbereich. Mit der Folge, dass die anderen deren Arbeit mittragen müssten. Und: „Wir können nicht alles so leisten, wie wir uns das vorstellen.“ Immerhin gewinne das Argument der Arbeitsplatzsicherheit langsam wieder an Gewicht.

Nicht für alles Lösungen

Bei Kitas - hier der Neubau an der Nordstraße - klaffen Baukosten und Förderung immer weiter auseinander.
Bei Kitas - hier der Neubau an der Nordstraße - klaffen Baukosten und Förderung immer weiter auseinander. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Die Erwartungen, „die man an uns stellt, werden immer größer. Viele denken, die Stadt muss für alles in die Bresche springen, was schiefläuft. Aber wir können ja eigentlich nichts ganz alleine beeinflussen; und wir haben leider auch nicht für alles Lösungen“, stellt Dirk Lukrafka klar.

Standortsuche für die Flüchtlingsunterbringung

Die NRW-weit dafür zuständige Arnsberger Bezirksregierung hat der Stadt Velbert für diesen Januar 29 Flüchtlinge neu zugewiesen. Diese Zahl hochgerechnet bedeute, so Lukrafka, dass man im Jahresverlauf mehr als 300 weitere Menschen unterbringen müsse. Im Rathaus rechne man mit einem Bedarf von mindestens 400 bis 600 Plätzen in den beiden nächsten Jahren. „Wir haben noch keine Standorte. Sie sind in der Prüfung.“

Neue Sporthallen kommen hinzu

Die drängende Frage der Flüchtlingsunterbringung habe hohe Priorität. „Nicht nur, um die dafür hergerichteten Turnhallen wieder für den Sport nutzen zu können, aber auch.“ Die sanierte Halle Nizzatal sei aktuell wieder auf dem Markt, in ein paar Wochen könne nach Abschluss der Arbeiten auch die an der Langenberger Straße wieder in Betrieb gehen. Im Sommer werde die neue Sporthalle Grünstraße hinzukommen und im Sommer 2025 die zusätzliche für die Gesamtschule Neviges.

>>> Lukrafka will erneut kandidieren

Dirk Lukrafka (55) stammt aus Gelsenkirchen. Er wohnt und lebt mit seiner Familie seit 2013 in Velbert. Er ist gelernter Industriekaufmann, außerdem Betriebswirt und Volljurist.

Aktuell läuft seine zweite Amtszeit (seit 2020) als hauptamtlicher Bürgermeister. Er hat beide Direktwahlen jeweils per Stichwahl für sich entschieden.

Die nächsten Kommunalwahlen in NRW sind im Herbst 2025. „Ich bin wieder am Start“, erklärte Lukrafka auf WAZ-Nachfrage, „ich werde nochmals kandidieren.“