Neviges. Eine Gruppe Ehrenamtlicher organisiert in Velbert ein außergewöhnliches Musical. Da wird die Stadtkirche zum Mini-Weihnachtsmarkt.
Julchen, sieben Jahre alt, ist traurig und wütend zugleich. Fühlt sich belogen, betrogen und hintergangen. Was haben die Eltern ihr da die ganzen Jahre bloß erzählt? Ist ja alles Quatsch mit dem Christkind, so hat sie bei einer Unterhaltung zwischen Erwachsenen mitgehört. Geht ja wohl nur um gutes Essen, Verwandte besuchen und Geschenke einkassieren. Oder geht es vielleicht doch um mehr? Julchen will es jetzt wissen und macht sich auf die Suche nach dem wahren Sinn von Weihnacht. Und schon ist das Publikum in der Stadtkirche mitten drin in dem hinreißenden Musical „Die sonderbare Nacht“, aufgeführt von 40 Kindern und Jugendlichen der evangelisch-reformierten Gemeinde, dazu gehört eine Live-Band. Mehr als 20 Helferinnen und Helfer haben sich engagiert und den Erfolg möglich gemacht. Jetzt fiebern alle ihrem Auftritt Heiligabend entgegen, 16 Uhr, in der Stadtkirche.
Ja, sie haben schon eine Aufführung hinter sich, die war auch ein voller Erfolg: Das Publikum in der bis auf den letzten Platz voll besetzten Stadtkirche war begeistert von der „Sonderbaren Nacht“. Also kein Grund, weiterhin Lampenfieber zu haben. Aber das gehöre einfach dazu, wenn man auf der Bühne stehe – dazu noch an diesem besonderen Ort, so sind sich die Drei einig: Denn für das Weihnachtsmusical wird ein Teil der Stadtkirche zum Mini-Weihnachtsmarkt, vorn am Altar stehen zwei selbst gebaute Büdchen., eine stand bereits im Gemeindehaus beim Adventskaffee. Die Kulisse in der Kirche sei super angenommen worden, sagt René Görtz, Diakon und als leidenschaftlicher Gitarrenspieler Mitglied der Band. Niemand habe sich daran gestört, es habe nur positive Stimmen gegeben. Gemeinsam mit der Ehrenamtlichen Sarai Wegscheider leitet der 47-Jährige dieses bemerkenswerte Projekt.
In Velbert sind 40 Kinder kleine Musical-Stars
Bemerkenswert deshalb, weil hier nicht nur 40 Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren singen und jede Menge Texte auswendig lernen müssen. Auch eine sechsköpfige Band mischt mit, die Musikerinnen und Musiker sind ebenfalls fester Teil der „Sonderbaren Nacht“. So wie Tochter Fleur Görtz (16), die Klavier spielt und zum siebenköpfigen Leitungsteam gehört. Sie sei seit ihrer Kindheit „Krippen-erfahren“, wie sie selbst lachend erzählt. „Ich mag das, dieses Kribbeln, bevor es losgeht, diese Spannung.“ Während andere vielleicht Lampenfieber fürchten, ist es für die 16-Jährige Anschub, Motivation. An ihre eigenen Krippenspiele denke sie auf jeden Fall immer sehr gern zurück.
„Das möchte ich auch anderen Kindern vermitteln, weil ich daran ganz tolle Erinnerungen habe.“ Deshalb seien die intensiven Proben kein Opfer gewesen, obwohl sie bei der „Kinderkirche“, dem Nachfolger des Kindergottesdienstes in der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde, schon jede Menge Aufgaben übernimmt. Angesprochen auf ihr Ehrenamt, sagt die Tochter des Diakons René Görtz nur fröhlich: „Ach, das ist nicht so viel.“ Immerhin: Die Jugendliche leitet noch die „Goldkinder“, eine Gruppe von Mädchen, die gemeinsam basteln, singen, kochen und backen. Und dann eben das Engagement für die Band. Jetzt im Musical-Leitungsteam hat sie noch so ganz nebenbei geholfen, eine Gruppe von 40 quirligen Kindern bei Laune zu halten. „Ja, mit der Schule ist das manchmal bisschen stressig“, gibt Fleur zu. „Aber ich würde das immer wieder machen, mir macht das Arbeiten mit Kindern einfach Spaß.“
Die Kinder fordern, aber nicht überfordern
Zehn Proben standen im Gemeindehaus an, dazu kam noch ein Intensiv-Probe-Wochenende, da müsse man sich schon gut überlegen, wie man die kleinen Musical-Stars zwischen fünf und elf Jahren am besten motiviert, merkt die Ehrenamtliche Sarai Wegscheider an. Die Kinder spielerisch fordern, ohne sie zu überfordern, dieser Spagat sei nicht immer ganz einfach. „Man muss überlegen: Was macht ihnen Freude, was könnte zu viel werden? Und wie weit kann ich gehen, um das Niveau zu erreichen, das ich gernhaben möchte?“
Den Zauber der Weihnacht vermitteln
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Genau wie Fleur Görtz möchte die Sozialpädagogin im Kirchenkreis Niederberg Kindern „den Zauber der Weihnacht“ vermitteln, wie sie es nennt. „Das liegt mir am Herzen. Ich durfte das als Kind erfahren, das war so schön, das bleibt für immer. Ich möchte, dass es auch anderen so ergeht. Und wenn ich da zu etwas beitragen kann, wäre das sehr schön.“ Entschieden für das Thema hatte man sich innerhalb der Gemeinde im September, nach Sankt Martin begann das Ensemble dann mit den Proben. Ein sportliches Programm bestätigt René Görtz. Denn bei einem Musical müsse schließlich ein Rädchen ins andere greifen, Texte müssen sitzen, der Chor funktionieren, erst recht die Band.
Die ganze Familie spielt mit
Was bei den Proben sehr praktisch war für die dreifache Mutter Sarai Wegscheider: Die Familie war „versorgt“, die bestmögliche Kinderbetreuung organisiert. Denn Ehemann Tobias spielt ebenfalls in der Band, und alle drei Kinder gehören zum Ensemble: Tochter Mercy (10) spielt den Glasbläser auf dem Weihnachtsmarkt, Sohn Sam ist einer der drei strengen Polizisten und Lio (6) ist der Esel. Denn ganz ohne Tiere geht es auch nicht in der „sonderbaren Nacht“. Das Musical sei eine schöne Kombination von Klassik und Moderne, schwärmt Sarai Wegscheider. Denn am Ende erfährt Julchen noch so viel mehr als nur die Tatsche, dass es für jeden ein Christkind gibt. Man muss ihm nur die Chance geben, auch kommen zu dürfen.
>>>Aufführung Heiligabend
„Die sonderbare Nacht“ wird am 24. Dezember um 16 Uhr in der Stadtkirche Neviges aufgeführt. Premiere war am 17. Dezember.
Fast 30 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer haben sich an diesem anspruchsvollen Projekt beteiligt