Langenberg. Der Herbst hat noch gar nicht richtig angefangen, da schlägt ein Langenberger Apotheker Alarm – und gibt Tipps, was Kunden jetzt tun sollten.

Der Herbst hat noch nicht einmal richtig angefangen, da schlagen die Apotheker schon Alarm: Denn immer noch sind zahlreiche Wirkstoffe Mangelware – darunter Antibiotika oder Insulin. „Es ist katastrophal“, sagt Arndt Backhaus von der Adler-Apotheke, „wir dümpeln immer noch bei rund 400 Artikeln herum, die einfach nicht da sind.“

Dazu kämen noch Hunderte weitere, bei denen er auf Nachlieferung warte. „Die Bestellung liegt dabei teilweise zwei, drei Monate zurück.“ Was die Situation zusätzlich erschwert, sei das „komplizierte Handling“, weil sich innerhalb kürzester Zeit die Bestände der Anbieter ändern können.

„Morgens um sieben schaue ich das erste Mal in den Computer und mache die erste Abfrage, die letzte dann abends gegen 23 Uhr.“ Denn, das habe er festgestellt, sagt der Langenberger Apotheker: „Der Großhandel schiebt inzwischen auch Abendschichten.“

Langenberger sollen rechtzeitig neue Rezepte beantragen

Arndt Backhaus von der Adler-Apotheke – hier mit seiner Langenberger Kollegin Ulrike Kuhlendahl (Zur Post) – rät, sich nicht zu lange Zeit zu lassen, um die eigenen Medikamentenvorräte aufzustocken.
Arndt Backhaus von der Adler-Apotheke – hier mit seiner Langenberger Kollegin Ulrike Kuhlendahl (Zur Post) – rät, sich nicht zu lange Zeit zu lassen, um die eigenen Medikamentenvorräte aufzustocken. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Und was können Patientinnen und Patienten bzw. Kundinnen und Kunden jetzt tun? „Tja“, sagt Arndt Backhaus, „das Problem ist, dass für uns hinter den Lieferschwierigkeiten keine Struktur mehr erkennbar ist. Es sind so viele verschiedene Artikel nicht da oder nur schwierig zu bekommen.“

Das Einzige, was er in der jetzigen Situation daher raten könne: „Nicht bis zur letzten Tablette warten, sondern sich rechtzeitig um Nachschub kümmern.“ Am besten Medikamente für mindestens zwei Wochen vorrätig haben, vor allem dann, wenn die regelmäßige Einnahme nötig ist.

Appell: „Bitte trotz allem nicht hamstern“

„Wir wollen aber auch nicht, dass jetzt jeder hamstert“, schränkt Arndt Backhaus gleich ein, „denn wenn sich nun alle zuhause Antibiotika hinlegen, dann fehlen die, wenn jemand die wirklich braucht.“ Anders wiederum sei es bei Medikamenten, die nicht einfach austauschbar sind, „Insulin zum Beispiel“, sagt er. „Das ist genau abgestimmt, da sollte man seine Vorräte genau im Blick behalten und sich rechtzeitig ein Folgerezept besorgen.“

Lieferengpässe könnten noch Jahre anhalten

Was den Apotheker noch mehr frustriert ist die Tatsache, dass eine schnelle Lösung des Problems nicht mal annähernd in Sichtweite ist. „Experten befürchten, dass uns die Lieferschwierigkeiten noch zwei bis drei Jahre begleiten werden.“

Die Adler-Apotheke in der Altstadt von Velbert-Langenberg: Auch hier gibt es Lieferprobleme bei einer ganzen Reihe von Medikamenten und Artikeln.
Die Adler-Apotheke in der Altstadt von Velbert-Langenberg: Auch hier gibt es Lieferprobleme bei einer ganzen Reihe von Medikamenten und Artikeln. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Und anders als bei Corona, seien die Hintergründe kaum noch nachvollziehbar. „Während der Pandemie war klar: Die damals fehlenden Wirkstoffe wurden in Indien oder China hergestellt. Durch die unterbrochenen Handelswege kamen die Waren logischerweise nicht mehr bei uns an.“ Nun aber herrsche allenthalben Ratlosigkeit.

Apotheker kritisieren vergangene und aktuelle Gesundheitspolitik

Allerdings scheint eines klar zu sein: Die Apotheker bundesweit, so berichtet es Arndt Backhaus, sehen eine Hauptschuld für die Lieferengpässe in der Gesundheitspolitik. Knackpunkt seien unter anderem die Rabattverträge. „Diese Politik ist unter Ministerin Ulla Schmidt eingeleitet worden.“ Schmidt war von 2001 bis 2009 im Amt. Einer ihrer Mitarbeiter damals: Karl Lauterbach, der heutige Gesundheitsminister.

Mit dessen Ideen seien die Apotheker auch heute überhaupt nicht einverstanden. Deswegen wolle die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) im November mobil machen und bundesweit zu Protestaktionen aufrufen.

>>>„Keine guten Aussichten“<<<

Der Blick in die Zukunft wird dem Langenberger Apotheker Arndt Backhaus auch durch andere Zahlen vermiest: Allein in diesem Jahr werden nach Schätzungen der ABDA rund 600 Betriebsstätten schließen. „Das sind Werte wie zuletzt in den 1950er Jahren.“

Ein Grund dafür seien massiv gestiegen Kosten. „Das führt zu der paradoxen Situation, dass wir zwar händeringend Fachkräfte suchen, de facto aber Leute entlassen, weil wir die nicht mehr bezahlen können.“

Etwa zehn Prozent der verbliebenen Apotheken schreiben rote Zahlen, rund ein Drittel ist betriebswirtschaftlich gefährdet. Zu dieser Schätzung kommt die Treuhand Hannover anhand der Zahlen des ersten Halbjahres 2023.