Langenberg. Die Tafel Niederberg verliert nach 20 Jahren ihren Standort in Velbert-Langenberg und sucht dringend Ersatz. Aber es drücken noch andere Probleme
Zuerst werden im Saal die Tische für die Lebensmittelkisten zurecht gestellt. Dann trudeln die Fahrer ein, liefern die geretteten Lebensmittel und stärken sich nach getaner Arbeit an einem der gedeckten Tische. Anschließend ist von zwölf bis zwei die Ausgabe der Lebensmittel. Jetzt sind gegen einen kleinen Obolus die Kunden an der Reihe. Es ist nämlich Freitag, und freitags ist am Kreiersiepen immer Tafel-Tag. So wie hier seit 20 Jahren schon, allerdings nicht mehr lange.
Denn die von der Bergischen Diakonie getragene Tafel Niederberg muss raus aus dem alten Vereinsheim der ev. Kirchengemeinde Langenberg. Sie ist schon auf der Suche nach einem neuen Domizil, so wie es die Verantwortlichen vor noch gar nicht so langer Zeit auch in Velbert-Mitte tun mussten und erst nach vier Jahren haben zu Ende bringen können. Aber der Standort Langenberg ist längst nicht die einzige Sorge.
Team in Velbert-Langenberg lässt sich nicht unterkriegen
Wie die Stimmung sei? „Prinzipiell gut“, antwortet Elke Steer. Aber die Ankündigung des Presbyteriums sei natürlich bedrückend gewesen, so die Standort-Verantwortliche (schon seit 2008), die das Ganze mit 15 Leuten – allesamt selbstverständlich Ehrenamtler – wuppt. „Die Räume gehören zu uns, wir sind gerne hier. Trotz des vielen Umräumens, das jedes Mal fällig ist.“
„Wir wollten eigentlich den runden Geburtstag ,20 Jahre Tafel Langenberg’ feiern“, schildert Tanja Högström die Überlegungen zum 4. April, da sei wenige Tage vorher die eingangs erwähnte Mitteilung gekommen. Die Gemeinde wolle (auch) die von der Tafel genutzten Räume – Gemeindesaal und Küche – renovieren und künftig selbst nutzen. Die Gruppen und Aktivitäten, so die Tafel-Koordinatorin weiter, die von der Schließung des Gemeinde-Standorts Hüser Straße betroffen seien, sollten sich künftig am Kreiersiepen treffen und stattfinden: „Das wird hier konzentriert.“
Dankbarer und trauriger Abschied in Bonsfeld
Man werde Bonsfeld als Gottesdienststätte schließen und versuchen, das Gebäude zu veräußern, heißt es auf der Homepage der Gemeinde. Und weiter im Text: „Bis zur erfolgten Renovierung und beendeten Umbauphase im Alten Vereinshaus aber werden die Kreise und Posaunen und Konfis Bonsfeld noch ,bevölkern’. Je nachdem, wann und wie die kirchenrechtlichen Vorgaben erfüllt sind, werden wir uns im Laufe des Jahres 2023 mit einer großen Feier von unserem Gebäude dankbar und traurig verabschieden.“
Einzigartige Kooperation
„Wir durften 20 Jahre miet- und nebenkostenfrei hier hausen und sind dafür sehr dankbar“, erklärt Renate Zanjani beim Ortstermin. „Das ist in dieser Art der Kooperation einzigartig.“ Tafel-Gedanke und Kirchengemeinde passten einfach gut zusammen, argumentiert die Tafel-Beauftragte der Diakonie. Und tickt damit ähnlich wie der Superintendent des ev. Kirchenkreises. Auch ihm ist das Zusammenwirken von Diakonie und Gemeinde wichtig. „Kirche ohne Diakonie verliert die Erde“, zitierte Jürgen Buchholz unlängst im Gespräch mit der WAZ, „Diakonie ohne Kirche verliert den Himmel.“
Geld für Miete und Nebenkosten fehlt woanders
Das ursprüngliche Konzept der Tafel war denn auch hinsichtlich der Standorte ausnahmslos auf Kirchengemeinden zugeschnitten, und zwar kostenfrei als Gast. Passé. Mittlerweile sind sowohl am Standort Velbert-Mitte, Mettmanner Straße, als auch in Heiligenhaus Miete und Nebenkosten fällig, müssen in Wülfrath Nebenkosten bezahlt werden. „Das Geld fehlt natürlich an anderer Stelle“, sagt Zanjani. „Und wir leben zu 100 Prozent von Spenden.“
Die Zeit drängt für die Tafel
Högström zufolge hilft die Gemeinde bei der Suche, hat man schon mehrere Alternativen geprüft, ohne bislang fündig geworden zu sein. Mindestens 100 qm werden benötigt, nebst Küche, Lagerraum mit Kühl-/Gefrierschrank und Regalen, Waschräume und Toiletten. „Das ist echt dringlich, wir hätten gerne bis Ende Mai eine Lösung festgezurrt“, betont sie, „wir müssen bis zum Ende der Sommerferien raus sein, und die Ferien sind schnell vorbei.“ Zanjani: „Wenn wir eine Bleibe gefunden haben, gibt’s doppelten Grund zum Feiern.“
Tafel-Kunden mit leeren Händen weggeschickt
Ein Problem von ganz anderer Tragweite: Seit Jahresanfang sind die Lager „anhaltend leer“. Sprich: Keine Reserve und kein Puffer mehr. „Das, was wir morgens abholen, ist nach der Ausgabe weg“, erklärt die Koordinatorin. „Wir mussten schon wiederholt Leute mit leeren Händen wegschicken und das Vorhandene ordentlich strecken.“ Dahinter steckten mehrere Faktoren. Laut Tafel optimieren die großen Ketten ihre Warenströme und/oder managen ihren Abverkauf über Rabatt-Aktionen bzw. mittels so genannter Retter-Tüten. Zunehmend mehr private Gruppen holten vor Geschäftsschluss Lebensmittel ab. „Die retten sie in ihren Augen, nehmen sie aber armen Leuten weg“, sagt Renate Zanjani. Zudem habe sich die Zahl der Tafel-Gäste im Vorjahr mitunter nahezu verdoppelt und steige sie seit Monaten weiter an. Waren es Anfang 2022 z. B. hier in Langenberg 50 bis 60 Haushalte, wuchs das bis zum Jahresende auf 80 bis 110. Mit einer deutlich höheren Personenzahl dahinter.
Spenden und Lebensmittel sammeln
„Wir freuen uns über jeden Dauerspender, egal mit welchem Betrag“, bekräftigt die Tafel-Beauftragte und regt an, im Verein, im Betrieb oder sonstwo Kisten aufzustellen und haltbare Lebensmittel zu sammeln. Man fühle sich einfach elend, wenn man Menschen wegschicken müsse: „Aber wenn nix da ist, ist nix da.“
Kontakt und Infos
Ansprechpartnerin in allen Belangen ist die Koordinatorin Tanja Högström, telefonisch erreichbar unter 0171 5618886 (E-Mail antanja.hoegstroem@bergische-diakonie.de).
Die Tafel hat bei der BfS Bank für Sozialwirtschaft ihr Spendenkonto. Die IBAN lautet DE65 3702 0500 0000 4747 47 (Verwendungszweck: Tafel Niederberg). Tankgutscheine sind ebenfalls willkommen.