Velbert. Die Tafel Niederberg ist unter Druck. Bei weniger Spenden und höheren Fixkosten kommen mehr Kunden. Das Lager in Velbert war früher auch voller.

Die langen Tischreihen sind gut bestückt, die Körbe voll, das appetitanregende Sortiment ist vielfältig: Tafel-Tag und -Ausgabe in der Apostelkirche in Velbert. Wer an diesem Mittwoch das Angebot im Kirchsaal an der Wichernstraße sieht, der ahnt wohl kaum, wie dramatisch hinter den Kulissen die Lage bei der Tafel Niederberg ist und wie sehr sie sich weiter zuspitzt. Die von der Bergischen Diakonie getragene Einrichtung steht von allen Seiten unter Druck. Die Spenden sind massiv zurückgegangen, das Spendenguthaben – mithin die Rücklage – geht gegen Null, die Lebensmittel-Spenden nehmen ab, und alle Standorte melden in diesen Wochen im Schnitt 30 Prozent mehr Tafel-Kunden, infolge gestiegener Preise. „Es ist wirklich bedrohlich und existenziell“, beschreibt Tanja Högström die Lage.

Mietzahlungen in Heiligenhaus, Velbert und Wülfrath

An Backwaren herrschte an dem Tafel-Tag in der Apostelkirche kein Mangel.
An Backwaren herrschte an dem Tafel-Tag in der Apostelkirche kein Mangel. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Nach Auskunft der Tafel-Koordinatorin ist die Einrichtung zu 100 Prozent spendenfinanziert: „Wir bekommen keinen Cent öffentliche Unterstützung. So 1000 Dauerspender mit kleinen Beträgen, zum Beispiel zehn Euro, das wäre super, das würde echt Rückhalt geben“, sagt sie und berichtet, dass die aktuellen Spenden nicht die Fixkosten deckten. Dazu zählen Mieten für insgesamt drei Standorte in Heiligenhaus, Wülfrath und Velbert, der seit Corona noch einmal erhöhte Hygiene-Aufwand, Verschleiß der drei Transporter und des Caddys und natürlich Spritkosten. Das seien schon im Januar – vor den drastischen Sprüngen nach oben – an die 2000 Euro gewesen. Und man fahre mittlerweile rund 200 Kilometer mehr, fügt Högström hinzu.

Für Menschen in Notlagen da

Die Tafel sei nämlich seit dem Überfall auf die Ukraine „immer wieder um logistische Hilfe gebeten worden“, erzählt Renate Zanjani. Die Tafel-Leiterin nennt z. B. Clavis, IHLA und weitere Vereine „aus dem hiesigen Netzwerk. Die Netzwerke sind über Jahre gewachsen, sind stabil und funktionieren“. Also unterstütze man Transporte „weit herum in der Region“, bringe Spenden zu Verteilstellen, damit sie von dort weiter nach Polen und in die Ukraine gelangten, und engagiere sich bei der Koordination. Zanjani: „Tafel ist immer mehr als die Weitergabe von Lebensmitteln.“ Es bedeute vielmehr, den Blick auf Menschen zu haben, die in einer Notlage steckten und Hilfe brauchten.

Logistik und mehr für die Ukraine-Hilfe

In der Apostelkirche der ev. Kirchengemeinde Velbert-Dalbecksbaum braucht die Tafel Niederberg keine Miete zu bezahlen.
In der Apostelkirche der ev. Kirchengemeinde Velbert-Dalbecksbaum braucht die Tafel Niederberg keine Miete zu bezahlen. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

„Wir werden auch dieses Thema mit unseren hoch engagierten Mitarbeitern und Ehrenamtlern stemmen, die zusätzlich Stunden kloppen und in ihrer Freizeit Lkw beladen“, sagt Renate Zanjani. „Wir hoffen einfach, dass die Menschen den Stellenwert sozialer Angebote bei sich vor Ort nicht aus den Augen verlieren und auch vor ihrer eigenen Haustür helfen“, ergänzt Tanja Högström. „Wir helfen selbst, fallen aber bei jeder großen Krise hinten runter“, erzählt sie. Das sei bei Corona so gewesen, habe sich erneut auch bei der Flutkatastrophe gezeigt. Übrigens hat die Diakonie selbst Ukrainer mit Wohnraum versorgt, sind erste Flüchtlinge bereits unter den Tafel-Kunden.

Lebensmittel gerecht verteilen

Angebote einzustellen – zu den jüngsten gehören die Freitagabend-Tafel und zweimal im Monat die samstägliche Hauslieferung – könne allenfalls der letzte Schritt sein, meint die Koordinatorin. Allerdings habe man nicht mehr das gut gefüllte Lager wie früher. Und am Tafel-Tag müsse man schon zusehen, dass es bei der Ausgabe gerecht zugehe und niemand zu kurz komme, geschweige denn gar leer ausgehe.

Auf die Tafel angewiesen

„Ohne Tafel? Da hätten wir weniger zu essen“, überlegt Sabine H., und so etwas wie Bio-Eier oder -Kartoffeln könne sie selbst sich natürlich nicht leisten. Ihre beiden Kinder freuten sich vor allem über das mitgebrachte Gebäck und Obst, so die alleinerziehende Mutter, die einen 1,50-Euro-Job hat. Sie ist seit einem Jahr Tafel-Kundin. „Ich bin darauf angewiesen, mich unterstützt das sehr“, sagt auch Mario S., seit einem dreiviertel Jahr regelmäßig am Tafel-Tag dabei. Er schätzt nicht zuletzt die vegetarische Kost und kommt auch, „um unter Menschen zu sein. Ohne Tafel, das kann ich mir gar nicht vorstellen“.

Rabatt-Aktionen schmälern Lebensmittel-Spenden

Tafel-Standort wird zum Trödelmarkt

Spenden-Einnahmen versprechen sich die Organisatoren auch vom „Trödeln für jedermann“ am Samstag, 2. April, von 11 bis 16 Uhr am zentralen Tafel-Standort Velbert-Mitte, Mettmanner Straße 53 - 55. Högström verspricht u. a. eine „leckere Verpflegung“. Es sind noch Tische frei (Kontakt: Tafel-Büro, 02051 4170042).

Die Tafel hat bei der BfS Bank für Sozialwirtschaft ihr Spendenkonto. Die IBAN lautet DE65 3702 0500 0000 4747 47 (Verwendungszweck: Tafel Niederberg). Tankgutscheine sind ebenfalls willkommen.

Die Zahl der Kunden in der Apostelkirche sei seit Januar von 50 auf 70 gewachsen, bilanziert Gabi Jaeger. Die Standort-Leiterin bestätigt, dass der Lebensmittelhandel nicht mehr so viel Waren wie früher abgebe. Die Mengen würden jetzt beim Einkauf wohl schärfer kalkuliert, vermutet sie. Tanja Högström sieht „in erster Linie die Rabatt-Aktionen“ als Ursache dafür, dass die Tafel weniger Lebensmittel gespendet bekommt.