Kreis Mettmann. Jobcenter im Kreis Mettmann sanktioniert eh nur sehr selten. Zufrieden mit Bürgergeld-Kompromiss, weil das Fordern jetzt doch wieder drin ist.
„Ich habe mich über die Erhöhung wirklich gefreut“, sagt Marcus Kowalczyk. Der Anstieg des Regelsatzes ab Januar für einen Single um 53 Euro bzw. gut elf Prozent auf dann monatlich 502 Euro sei ja nicht Gegenstand des politischen Für und Wider zum Bürgergeld-Gesetz gewesen, „aber das ist gerade angesichts Inflation und Energiekosten eine Hilfe, den Lebensbedarf sicherzustellen“, so der Kreis-Dezernent für Soziales, Gesundheit und Menschen mit Behinderung. Und „weil das Fordern wieder drin ist“, zeigt sich Kowalczyk mit dem letztlich gefundenen Bürgergeld-Kompromiss „zufrieden“. Er sagt auch: „Wir gehen momentan nicht davon aus, dass das Bürgergeld eklatante Auswirkungen auf den Kreis-Haushalt hat.“
Kreis Mettmann mit sehr kritischer Position
„Die Einführung des Bürgergeldes wird aus Sicht des Kreises Mettmann als kommunaler Träger bzw. als örtlicher Träger der Sozialhilfe sehr kritisch gesehen“, hieß es noch Mitte November in der Vorlage für den Sozialausschuss des Kreistags. „Insbesondere die Einschränkung des Grundsatzes des Förderns und Forderns kann aus gesamtgesellschaftlichen und gesamtpolitischen Gesichtspunkten nicht begrüßt werden.“ Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens habe sich u. a. der Deutsche Landkreistag mit einer kritischen Stellungnahme beteiligt. Fakt ist: Ab Januar 2023 wird das Arbeitslosengeld II durch das Bürgergeld ersetzt. Demnach können Menschen, die erwerbsfähig sind und ihren Lebensunterhalt nicht eigenständig sicherstellen können, einen Anspruch auf Bürgergeld geltend machen.
Prozess viel zu langwierig
„Der Prozess war im Grunde zu lang für die, die das Ganze umsetzen müssen“, findet zurückblickend Martin Klemmer, „das gilt letztlich für beide Seiten.“ Klemmer ist Leiter des Kreis-Sozialamtes, das für Kosten der Unterkunft, einmalige Beihilfen wie Erstausstattung einer Wohnung und den Bereich Bildung und Teilhabe zuständig ist. Dafür – sowie für kommunale Eingliederungsleistungen wie Schuldner- oder Suchtberatung – trägt der Kreis Mettmann auch die Kosten.
Moratorium nahezu folgenlos
„Wir sind beide Anhänger vom Fördern und Fordern“, betont Marcus Kowalczyk, der als Vertreter der Verwaltung ordentliches Mitglied der Jobcenter-Trägerversammlung ist. Dort sitzen drei vom Kreis und drei Vertreter der Bundesagentur für Arbeit, denn das Jobcenter „ME-aktiv“ ist eine gemeinsame Einrichtung von Bundesagentur und Kreis. Durch das im Mai von der Bundesregierung beschlossene Sanktionsmoratorium, infolgedessen z. B. niemandem seine monatliche Zahlung gekürzt werden durfte, wenn er einen „zumutbaren“ Job ausgeschlagen hat, habe sich hier im Neanderland rein gar nichts geändert. „Die Quote war eh gering, wir haben allenfalls die Annahme einzelner Menschen kennengelernt, sie müssten ab sofort gar keine Termine mehr einhalten.“
Lieber motivieren und Anreize schaffen
„ME-aktiv“ habe Sanktionen ohnehin äußerst restriktiv gehandhabt, viel lieber setze man dort auf motivierende Anreize. Und natürlich auf Qualifizierung. „Wenn eine Pflichtverletzung tatsächlich mal eine Sanktion zur Konsequenz hat, dann hat sich der Kunde das aber auch erarbeitet.“ Im Grunde reiche und wirke schon das bloße Vorhandensein: „Der Sozialstaat erwartet ja kein bedingungsloses System“, sagt der Dezernent. In der Praxis herrsche zumeist beiderseitiges Vertrauen: „Hier, dass das Geld regelmäßig vom Jobcenter kommt und dieses umfassend betreut, dort, dass der Kunde guten Willens ist und mitzieht.“
Aktuell gibt’s 19.000 Bedarfsgemeinschaften
Bei „ME-aktiv“ liegt die Sanktionsquote nach offiziellen Angaben annähernd bei einem Prozent. Es seien vorrangig Fälle, in denen die Mitwirkungspflicht nicht wahrgenommen werde – vor allem Meldeversäumnisse. Die 460 Jobcenter-Mitarbeiter betreuen derzeit rund 19.000 so genannte Bedarfsgemeinschaften bzw. 25.500 erwerbsfähige Leistungsbezieher. Bei Kunden unter 25 Jahren kümmere sich ein Mitarbeiter um 60 „Fälle“, schildert Martin Klemmer den Betreuungsschlüssel, und bei den anderen seien es 120.
Kein neuer Antrag erforderlich
Aktuell habe man nicht mehr Kunden, wohl aber mittlerweile rund 2000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine im Leistungsbezug. Allerdings habe man den Stamm auch im annähernd gleichen Umfang abgebaut und entsprechend viele Menschen wieder in Arbeit gebracht, bilanziert der Fach-Dezernent, die entweder vermittelt worden seien oder sich selbst etwas gesucht hätten. „Wenn es mehr Kunden werden, müsste personell angepasst werden.“
Das Bürgergeld wird stufig eingeführt: Die Erhöhung kommt ab Januar, die Arbeitsmarktregelungen sukzessive bis zum Sommer. „Alles bleibt gültig“, betont Marcus Kowalczyk. „Wegen des Bürgergeldes muss hier niemand einen neuen Antrag stellen.“
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Seit Anfang Dezember geänderte Öffnungszeiten
Das Jobcenter „ME-aktiv“ hat seit Monatsbeginn neue Öffnungszeiten im Kundencenter seiner Geschäftsstellen: Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 8 bis 13 Uhr; Mittwoch geschlossen und Donnerstag von 14 bis 16.30 Uhr.
Die Mitarbeiter sind darüber hinaus telefonisch für die Kunden da: Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr unter 02104 14163-0.