Velbert. Die Sanktionen bei Pflichtverletzungen von Hartz IV-Empfängern werden ausgesetzt. Das Jobcenter im Kreis Mettmann greift ohnehin nur selten dazu.
Es ist beschlossene Sache: Die Bundesregierung will die Sanktionen bei Pflichtverletzungen für Empfänger von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) bis zum Jahresende befristet aussetzen. Im Arbeitsalltag der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des hiesigen Jobcenters „ME-aktiv“ und bei ihrem Handeln dürfte sich dadurch allerdings kaum etwas ändern. „Das berührt unser Handeln eigentlich nicht. Das ist bei uns kein Thema. Wir sind niemand, bei dem das im Fokus steht“, sagt nämlich Nathalie Schöndorf. „Das Hauptthema ist die Unterstützung unserer Kunden bei Integration und Qualifizierung.“ Nach Auskunft der Geschäftsführerin hat es beispielsweise im Januar lediglich 173 Sanktionen gegeben – und das bei insgesamt 24.814 Hilfebedürftigen.
Quote liegt im Kreis Mettmann etwa bei einem Prozent
Das entspreche einer Sanktionsquote von 0,7 Prozent, so Schöndorf auf WAZ-Anfrage weiter. „Wir liegen Pi mal Daumen immer so bei einem Prozent.“ Wenn man überhaupt zu Sanktionen greife, dann gehe es hauptsächlich um Fälle, in denen die Mitwirkungspflicht nicht wahrgenommen werde. Das seien zumeist Meldeversäumnisse.
Schon das Vorhandensein wirkt
Das bloße Vorhandensein von Ahndungen und Auflagen reiche eigentlich schon aus, „daher finde ich das gut. Man muss auch im Auge behalten, dass der Steuerzahler das Ganze finanziert, und dass das Leistungsvermögen gehoben, aktiviert und abgerufen wird“, sagt Marcus Kowalczyk. Es passiere ja auch nicht gleich beim ersten Mal, dass seitens des Jobcenters Maßnahmen ergriffen würden; zudem seien Sanktionen schon zu Corona- und Lockdown-Zeiten kein Fokus-Thema gewesen. „Aber mit Blick auf die Kunden, die gar nicht wollen und die man gar nicht zum Gespräch an den Tisch bekommt, finde ich gut, dass es dieses Instrument gibt. Aber immer mit Augenmaß.“
Die Mischung ist entscheidend
Kowalczyk ist Kreis-Dezernent für Soziales, Gesundheit und Menschen mit Behinderung und als Vertreter der Verwaltung ordentliches Mitglied der Jobcenter-Trägerversammlung. Er führt das Dezernat IV seit zweieinhalb Jahren; in der Zeit von 2016 bis 2020 war er Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Agentur für Arbeit Mettmann. Entscheidend sei eine ausgewogene Mischung aus Fördern und Fordern, betont er.
Erreichte Teilleistungen belohnen
Sowohl Kowalczyk als auch Schöndorf würden ganz grundsätzlich viel lieber mit Anreizen arbeiten. „Zum Beispiel (verpflichtende) Praktika anbieten“, oder „erreichte Teilleistungen mit einem interessanten Praktikum belohnen“. „Auch wenn einer sich komplett entzieht, würden wir doch lieber mit Angeboten vorgehen“, erläutert die Jobcenter-Chefin. Aber wenn man jemanden gar nicht erreiche, „müssen wir auch schon aus Fürsorgepflicht schauen, was ist denn da los?“ Und wenn ein Kunde in einem Beratungsgespräch sage, „das gefällt mir nicht“, dann habe man doch wenigstens ein Packende.
Die Gesamt-Umstände betrachten
In ihrer bislang zweijährigen Tätigkeit hier im Kreis Mettmann habe es zum Thema Sanktionen „keine großen Anfrage zu einem konkreten Fall“ seitens Politik und/oder Wohlfahrtsverbänden gegeben, berichtet die Jobcenter-Geschäftsführerin. Es gebe keine Willkür-Entscheidungen, alles sei hinterlegt. „Man betrachtet immer alle Rahmenbedingungen und Gesamt-Umstände. Wenn Sie bei uns fragen, dann werden Sie hören, dass viele Mitarbeiter noch nie mit irgendwelchen Sanktionen konfrontiert worden sind.“ Im Fokus sei immer die Unterstützung.
Agentur und Kreis machen gemeinsame Sache
Das Jobcenter „ME-aktiv“ ist eine gemeinsame Einrichtung der Bundesagentur für Arbeit und des Kreises Mettmann. Es hat um die 500 Mitarbeiter. Relevante organisatorische und personalwirtschaftliche Entscheidungen trifft die Trägerversammlung. Sie besteht aus Vertretern des Kreises und der Agentur.
Zudem gibt es einen Beirat aus Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Trägern der freien Wohlfahrtspflege, sowie Kammern und berufsständischen Organisationen. Das Gremium berät das Jobcenter bei Auswahl und Gestaltung der Eingliederungsinstrumente und Maßnahmen.