Kreis Mettmann. . 680 von 38.000 Leistungsempfängern im Kreis Mettmann haben irgendwann eine Sanktion bekommen. Was der häufigste Grund für eine Sanktion ist.
In der Diskussion über eine Reform der Grundsicherung ist häufig von Demütigungen und Stigmatisierungen die Rede, wird wiederholt kritisiert, dass in den Jobcentern das Drangsalieren an der Tagesordnung sei. „Für mich ist das eine politische Debatte“, sagt Franz Heuel, „ich halte mich an die Fakten.“
Auf Anfrage der WAZ packt der Geschäftsführer des Jobcenters „ME-aktiv“ Zahlen auf den Tisch. Demzufolge gibt es kreisweit mehr als 26 000 leistungsberechtigte Menschen, die in Grundsicherung und erwerbsfähig sind. Zählt man Partner und Familien hinzu, summiert sich das auf 38 000 Betroffene. 680 dieser Leistungsberechtigten, so Heuel weiter, hätten „tatsächlich irgendwannSanktionen bekommen“. Das ergäbe eine Quote von 2,6 Prozent, die unter dem NRW- und dem Bundesschnitt liege: „Wir gehen mit dem Instrument ganz ganz behutsam um.“
Zahl der Widersprüche ist hoch
In 75 Prozent der Fälle sei es um nicht wahrgenommene (Beratungs-)Termine gegangen, ergänzt seine Mitarbeiterin Miriam Bonné. Schließlich gehe es zumeist um die berufliche Zukunft und die Frage, wie jemand wieder in den Arbeitsmarkt kommen könne. „Wir wollen ja in erster Linie fördern, z. B. mit Hilfe einer Qualifizierung“, unterstreicht Heuel, zumal zwei Drittel der Kunden über keine beruflich verwertbare Qualifizierung verfügten. „Manchmal allerdings ist es eher schwierig, Menschen für eine Umschulung zu gewinnen. Das scheitert aber nie am Geld.“
Regelsatz kann um 10 Prozent gekürzt werden
Und welche praktische Auswirkung kann eine Sanktion haben? „Wenn jemand etwa keinerlei Anstalten macht, sich zu bemühen, aus der Grundsicherung rauszukommen, wenn er Termine verstreichen gelassen und Vereinbarungen nicht eingehalten hat“, erklärt der Jobcenter-Chef, sei eine Kürzung um zehn Prozent über drei Monate möglich. Zur Größenordnung: Der SGB II-Regelsatz für Alleinstehende beträgt jetzt monatlich 424 (bislang 416) Euro. Darüber hinaus werden noch die Kosten für die Unterkunft gezahlt.
Am Existenzminimum
Für Ilona Küchler ist jede einzelne Sanktion eine zuviel: „Das hilft ja nicht weiter und man kratzt ganz schnell am Existenzminimum. Oftmals sind die Kinder von Bedarfsgemeinschaften die Leidtragenden, obwohl sie keine Verantwortung haben.“ Die Fraktionsvorsitzende der Linken im Mettmanner Kreistag ist Mitglied in dessen Sozialausschuss und beobachtet die Arbeit des Jobcenters kritisch.
Ein massives Problem sieht Küchler in der „hohen Zahl der Widersprüche gegen Entscheidungen“ der Behörde. Sie spricht von „um die 4000 Fälle im Jahr“, und mutmaßt, „da muss ja an irgendeiner Stelle was schief gelaufen sein, etwa bei der Beratung oder Berechnung. Dieses Problem ist schon exorbitant“. „Wir arbeiten an dem Thema Widersprüche bzw. Beschwerden“, erklärt Franz Heuel. Er habe eigens das zuständige Team personell aufgestockt.
Aktivieren und unterstützen
Das Motto „Fördern und Fordern“ steht für das Konzept des aktivierenden Staates. Das gilt für sozial-, bildungs-, integrations- und arbeitsmarktpolitische Konzepte. Die Klienten, Kunden oder auch Schüler sollen sowohl aktiviert, also gefordert, werden als auch in ihrem Bemühen um Selbstverantwortung und Erfolgsorientierung unterstützt – eben gefördert – werden.
Wer das aus Steuermitteln finanzierte Arbeitslosengeld II erhält, der ist nach dem Gesetz auch dazu verpflichtet sich um eine Arbeit zu bemühen.
500 Mitarbeiter im Team
Der Geschäftsführer findet das Prinzip des „Förderns und Forderns“ in seinem Zweiklang vernünftig , „und dabei vor allem das Fördern“. Zudem seien Sanktionen auch keine Ermessenssache, sondern klar geregelt und festgelegt, habe es ferner noch nie eine Auffälligkeit in einem Team – „ME-aktiv“ hat 500 Mitarbeiter – gegeben, darauf achte man aber auch intern: „Wir drangsalieren nicht, es ist genau anders herum.“
Auf Nachfrage zitiert Franz Heuel außerdem aus einer wissenschaftlichen Untersuchung, der zufolge Sanktionen „durchaus auch wirksam“ seien. Ja, sogar der Großteil der Betroffenen sei der Ansicht, dass Sanktionen sinnvoll und wirkungsvoll seien. Heuel: „Ich fand’s selbst überraschend.“
Betroffene sollen sich Rat einholen
„Sanktionen gehören abgeschafft, das bringt keinen in Arbeit“, fordert Ilona Küchler. Der Großteil seien eh Meldeversäumnisse. „Nicht nur die Kunden haben Pflichten, sondern auch das Amt.“ Jeder einzelne Fall müsse beleuchtet werden, und wenn jemand verunsichert sei, so ihre Empfehlung, sollte er auf jeden Fall Rat einholen und den Vorgang überprüfen lassen.