Neviges. Zum letzten Mal haben die Franziskaner in Velbert-Neviges eine Messe gefeiert. Zahlreiche Ehrengäste nahmen zusammen mit der Gemeinde Abschied.

Ein Ereignis dieser Dimension hat wohl auch der Mariendom noch nie gesehen. Die Menschen drängen sich vor den weit geöffneten Toren des Doms, während sich Abgeordnete von Stadt, Land und Bund bereits neben Geistlichen aus der ganzen Umgebung versammelt haben. Ganze 49 Messdiener und mehr als 20 Priester haben sich am Altar versammelt. 345 Jahre Geschichte kommen zu einem schmerzhaften, wehmütigen und doch auch ein wenig hoffnungsvollen Ende.

Ganze 49 Messdiener, dazu mehr als 20 Priester: Mit einer großen Messe im Wallfahrtsdom haben sich die Franziskaner aus Velbert-Neviges verabschiedet.
Ganze 49 Messdiener, dazu mehr als 20 Priester: Mit einer großen Messe im Wallfahrtsdom haben sich die Franziskaner aus Velbert-Neviges verabschiedet. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

„Dieser Abschied ist wie Sand in den Schuhen nach einem Tag am Stand“, vergleicht Tekla Lukannek, „er stört und ist unbequem, aber doch auch voll von wunderbaren Erinnerungen.“ Die Vorsitzende des Pfarrgemeinderates beschreibt Schock, Angst und Traurigkeit im Angesicht des Fortgangs der Franziskaner, doch zeigt sie auch eine zuversichtliche Seite: „Wir kannten es alle immer so, aber jetzt müssen wir auf einem Weg der Neugestaltung gehen.“

Erinnerungen an persönliche Begegnungen und an eine Ära

Pfarrer Daniel Schilling, Kreisdechant im Dekanat Mettmann, hatte in seiner Jugend selbst mit dem Gedanken gespielt, den Franziskanern beizutreten. „Gott sei Dank, habe ich das nicht gemacht“, scherzt er, „Sonst müsste ich jetzt auch gehen.“ Für ihn sind es weniger die Erinnerungen an eine jahrhundertelange Ära, sondern vielmehr an die persönlichen Begegnungen, die besonders schwer wiegen. https://www.waz.de/staedte/velbert/article227940649.ece

Auch der Velberter Bürgermeister Dirk Lukrafka verabschiedete die Franziskaner.
Auch der Velberter Bürgermeister Dirk Lukrafka verabschiedete die Franziskaner. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

In seiner Rede erinnert er namentlich an all die Pater und Brüder, mit denen er in seiner Jugend zu tun hatte und deren Eigenheiten im bis heute im Gedächtnis geblieben sind. Sein Engagement und seine Energie sind es, die Neviges in der kommenden Übergangsphase zusammenhalten werden. „Es wird noch immer Messen und Seelsorge geben“, beteuert er, aber eben in einem kleineren Maße als früher, bis eine neue Gemeinschaft gefunden sei.

Gottesmutter wollte der Legende nach nach Hardenberg

Auch Bruder Cornelius Bohl, der Provinzialminister der Deutschen Franziskanerprovinz, möchte heute nicht von dunklen Wolken sprechen. „Die Lebendigkeit der Kirche drückt sich nicht in Zahlen aus“, verkündet er, sondern im Glauben der Gemeinde und die bleibe auch weiterhin bestehen. Und die Gottesmutter Maria bleibe weiterhin im Herzen der Nevigeser Gemeinde. „Der Erzählung nach wurde sie nicht zu den Franziskanern gebracht, sondern nach Hardenberg“, erzählt er und übergibt das Gottesbild an Pfarrer Daniel Schilling. Die Brüder gehen also, doch die Gottesmutter bleibt.

Für die Franziskaner-Brüder gab es zum Abschied aus Velbert-Neviges kleine Geschenke.
Für die Franziskaner-Brüder gab es zum Abschied aus Velbert-Neviges kleine Geschenke. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

„Gegen die Nacht können wir nicht ankämpfen, aber wir können ein Licht anzünden“, zitiert Bürgermeister Lukrafka den an diesem Morgen vielzitierten Franz von Assisi. Das Kloster sei zwar stets die Seele von Neviges gewesen, doch die Solidarität der Bürger bliebe. Auch wenn die Brüder in alle Himmelsrichtungen verstreut werden, so könne die Gemeinde doch gemeinsam unmögliches schaffen.

Zeit für persönliche Abschiedsgespräche in der Glocke

Doch der große Tag endet nicht mit dem Auszug der Franziskaner aus der Kirche. In der benachbarten Glocke gibt es Zeit für ein persönliches Lebewohl und letzte Momente der Begegnung mit den Brüdern. Auch Gemeindemitglied Lilla Grugga verbinden Erinnerungen mit diesem Ort. „Hier hatten meine Kinder ihre Kommunion und wir haben uns immer sehr nah und verbunden gefühlt.“ Besonders freut sie sich darüber, dass die Menschen so zahlreich erschienen sind und das nicht nur im Gottesdienst, sondern auch in der Glocke.

„Überwältigend“, reflektiert Bruder Peter Fobes die bisherigen Ereignisse des Tages, „ich bin einfach überwältigt, wie viele Menschen hier sind.“ Viele davon hat er seit Jahren nicht mehr gesehen, einige sind Brüder aus anderen Klöstern. Das spende natürlich Trost. Tatsächlich sei die Lage der Franziskaner gar nicht so schlimm, wie es oft scheinen mag.

Die Gemeinde muss mit der Situation umgehen lernen

Viele Klöster werden geschlossen

Sieben Brüder bildeten zuletzt die Gemeinschaft des Franziskanerordens in Neviges. Alle haben bereits neue Orte in- und auch außerhalb Deutschlands gefunden.

Die Schließungen von Franziskanerklöstern treten vermehrt auf und sind meist auf Überalterung zurückzuführen.

Die letzte Messe des Ordens im Mariendom fand am Tag der Taufe Christi statt. Weihbischof Dr. Domenikus Schwaderlapp führte durch den Gottesdienst.

„In Deutschland ist die Überalterung zwar zu spüren, aber auch hier bleiben die Neuzugänge nicht gänzlich aus“, erklärt er, „Und wenn man nur über die Landesgrenzen hinausschaut, dann sieht man ein gegenteiliges Bild.“

Es ist nun also an den Brüdern und der verbliebenen Nevigeser Gemeinde, darüber zu entscheiden, wie sie mit diesem Lebewohl umgehen wollen. „Sie müssen sich entscheiden, ob sie den Sand aus den Schuhen wegschütten wollen“, findet Lukannek, „oder ob sie ihn doch lieber in einem Glas aufbewahren.“

Weitere Fotos vom Abschied der Franziskaner auf www.waz.de/velbert