Neviges. Die Franziskaner bereiten ihren Abschied von Neviges vor. Sie ordnen Sachen, packen Kisten. Auch der Umzug im Januar ist schon organisiert.
Wallfahrtsleiter Bruder Dietmar ist bekannt für seinen Humor. Und dafür, dass er alles Schwülstige, Theatralische nicht mag. Auch nicht dieses Wort, das die sechs Franziskaner seit Monaten begleitet: letzte Wallfahrt, letzte Hubertusmesse, letztes Weihnachten. Bloß nicht zu viel Wehmut zulassen, so Bruder Dietmars Devise. Das Leben gehe schließlich weiter, für den 61-Jährigen als Wallfahrtsleiter eines großen Klosters im fränkischen Vierzehnheiligen. Doch denke er an den 24. Januar 2020, dann werde ihm doch ganz anders: „Das ist ein Freitag, dass ich dann hier abschließe und wegfahre, das ist noch nicht angekommen in meinem Kopf. Wir beenden hier auch ein Stück Leben.“ Der Letzte macht das Licht aus: Wenn Bruder Dietmar an jenem Freitag in den Umzugsbulli steigt, sind die Franziskaner nach 345 Jahren in Neviges Geschichte geworden.
Umzug mit geliehenem Bulli
Doch bis dahin haben die sechs Brüder noch alle Hände voll zu tun. Sachen aussortieren, Bücherkisten packen, sich von Dingen trennen – eben was bei einem Umzug so ansteht. „Ist ja nicht so viel bei uns, die Möbel bleiben hier, die gehören ja dem Bistum.“ Daher mutet ihr Auszug, so wie er geplant ist, ein bisschen wie ein Studentenumzug an: „Ich habe einen Bulli gemietet, ein Umzugsunternehmen hätte 14 000 Euro gekostet. Das machen wir jetzt selber, jeder wird nacheinander an seinen Ort gebracht.“ Nur Bruder Jakobus wäre das zu mühselig: Er übernimmt auf eigenen Wunsch die Pilgerseelsorge in Jerusalem.
Lili muss sich eingewöhnen
Letzte Messe ist am 12. Januar
Die Franziskaner halten ihre letzte Messe am 12. Januar 2020, um 11.15 Uhr im Mariendom. Anschließend gibt es im Pfarrheim Glocke die Gelegenheit, sich auch persönlich von den sechs Brüdern zu verabschieden.
Beschlossen wurde der Weggang der Franziskaner auf dem Provinzkapitel im März in Oberfranken, 90 Brüder haben darüber entschieden. Grund ist ein eklatanter Nachwuchsmangel. Einst lebten 30 Brüder in Neviges. Neben dem Kloster in Neviges werden weitere sieben Klöster bundesweit geschlossen.
Ein Umzug ist schon vor Tagen über die Bühne gegangen: Klosterkatze Lili, die den Brüdern zulief und hier liebevoll gefüttert wurde, hat ein neues Zuhause bei der Katzenfreundin Dorothea Knapp gefunden. „Im Grünen, mit Platz und vielen Mäusen“, erzählt Bruder Konrad, dem das Tier besonders ans Herz gewachsen ist. Und auch Lili mochte sich, toller Hof hin oder her, nicht trennen. Sie büxte aus, lief kilometerweit zurück ins Kloster. „Lili muss sich umstellen, sie war ja auch nur Männer gewohnt“, schmunzelt Bruder Dietmar.
Ortswechsel gehört zum Alltag
Abschied voneinander zu nehmen, das kennen sie alle zur Genüge, ein Ortswechsel alle paar Jahre gehört für die Franziskaner zum Alltag. „Aber das hier ist etwas anderes. Wir lassen eine Gemeinde zurück. Menschen, die uns mögen.“ Letzteres findet Bruder Peter auch ein bisschen tröstlich: „Ist ja besser, als wenn die Leute sagen: Gut, dass die weg sind.“ Wie traurig ihr Weggang viele Nevigeser stimmt, merken die Brüder auf Schritt und Tritt, wenn sie hinüber ins Dorf gehen. Auch, wenn das Gemeindeleben erst einmal gerettet ist: Bis zum Sommer übernimmt der Ratinger Pastor Daniel Schilling übergangsweise zusätzlich zu seiner Heimatgemeinde Wallfahrt und Seelsorge in Neviges. Man sei optimistisch, Mitte des Jahres einen Nachfolger benennen zu können, so ein Sprecher des Erzbistums Köln. Was mit dem leeren Kloster geschehe, sei zurzeit unklar.
Bruder Peter hält die Fahne hoch
Im Pilgersaal will Bruder Peter zukünftig wenigstens ein Mal im Monat die Fahne der Franziskaner hoch halten. Dann kommt er samstags aus seinem neuen Domizil Dorsten und steht hier für Gespräche zur Verfügung. Der 67-Jährige leitet nämlich die Franziskanische Laiengemeinschaft Ordo Franciscanus Saecularis (OFS). Und die hat glücklicherweise ihren Sitz in Neviges.