Neviges. Das Franziskanerkloster in Neviges wird nach 343 Jahren aufgelöst. Die sechs Brüder finden ab Februar weltweit eine neue Heimat.
Herr, wohin sollen wir gehen? Den Psalm Johannes 6,68 hatte die katholische Kirchengemeinde Maria, Königin des Friedens, vor Wochen als Leitgedanken in ihrem Pfarrbrief verkündet. Die sechs Franziskanerbrüder, die wegen der Auflösung des Klosters Neviges verlassen müssen, wissen seit Donnerstag, 15. August, mit Gewissheit, wohin ihr Weg führt. Um 10 Uhr erreichte sie die mit Spannung erwartete Nachricht der Provinzleitung über ihre zukünftige Heimat.
Jeder Bruder hatte zwei Orte zur Auswahl
„Ja, wir werden in alle Winde zerstreut“, sagt Bruder Dietmar (61), der ebenso wie Bruder Peter seit Donnerstag eine gewisse Entspannung spürt. Denn schwarz auf weiß zu sehen, dass der Wunschort berücksichtigt wurde, empfindet auch Bruder Peter (66) bei aller Traurigkeit als gewisse Beruhigung. „Das war ja auch kein Marschbefehl, wir hatten zwei Orte zur Auswahl“, so Bruder Dietmar. Aber natürlich könnten solche Planungen auch verworfen werden, wirft Bruder Peter ein, wenn zum Beispiel irgendwo ein Bruder schwer erkrankt oder gar stirbt und eine Lücke gefüllt werden muss. „Die Provinzialleitung hat das Recht, selbst zu entscheiden.“
Wünsche wurden berücksichtigt
Böse Überraschungen gab es zum Glück für niemanden der sechs Franziskaner. Bruder Dietmar wird Hausoberer und Wallfahrtsleiter im Kloster Vierzehnheiligen in Oberfranken. „Ich weiß, was inhaltlich auf mich zukommt. Meine Aufgaben sind ähnlich wie hier in Neviges, nur eine Nummer größer“, sagt Bruder Dietmar und fügt mit dem ihm ganz eigenen Humor hinzu: „Nicht mehr bergisch-westfälisch, sondern fränkisch-barock. Aber das Barocke kommt mir ganz entgegen, wie man sieht.“
Sieben Standorte werden geschlossen
Das Kloster Vierzehnheiligen ist übrigens auch jener Ort, an dem 90 Brüder der Deutschen Franziskanerprovinz im März 2019 über die Zukunft des Klosters nachgedacht hatten. 32 Standorte standen damals auf dem Prüfstand. Drei Wochen später hatte die Provinzleitung entschieden, das Kloster als eines von sieben Standorten zu schließen. Nach 343 Jahren verlassen die Franziskaner Neviges.
Bruder Peter kommt ein Mal im Monat nach Neviges
Vortrag über Vivere-Bewegung
Der frühere Wallfahrtsleiter Bruder Frank hatte Neviges bereits vor Monaten aus gesundheitlichen Gründen verlassen. Er leitet das Studentenheim der Franziskaner in Hamburg, das bedürftige Studenten jeder Konfession aufnimmt.
Einen Vortrag über die Vivere-Bewegung hält Bruder Johannes am Samstag, 24. August, 14.30 Uhr im Pilgersaal vor dem Dom.
Einen kleinen Zipfel der Fahne hält Bruder Peter auch in Zukunft in Neviges hoch. Den 66-Jährigen, der sich neun Jahre lang hier sehr wohl gefühlt hat, verschlägt es ins Kloster nach Essen. Von dort aus leitet er unter anderem die Franziskanische Laiengemeinschaft OFS, die ihren Sitz in Neviges hat. „Ich werde wohl ein Mal im Monat hier sein“, sagt Bruder Peter, dem die Traurigkeit über den Abschied aus seinem Dorf, auch der Abschied von den anderen Brüdern anzumerken ist.
Abschiedsmesse am 12. Januar
Bruder Wolfgang wird Seelsorger im Kloster Fulda, Bruder Paul Hausoberer in Marienthal im Rheingau. Da dort ein Bruder erkrankt ist, wird er bereits im Oktober Neviges verlassen, aber zur gemeinsamen Abschiedsmesse aller sechs Brüder am 12. Januar noch einmal zurückkommen. Bruder Konrad wird künftig die Gärten des Klosters Wangen am Bodensee pflegen und sich auch dort um alles kümmern, was an Arbeiten im Haus so anfällt. Und Bruder Jakobus übernimmt ab Februar 2020 auf eigenen Wunsch die Pilgerseelsorge in Jerusalem.
Noch kein Nachfolger in Sicht
Bis zum Jahresende erfüllen die sechs Brüder wie gewohnt ihre Aufgaben – und leisten in ihrer Freizeit, was bei jedem Umzug ansteht. „Man sortiert schon mal ein bisschen aus, auf Neuanschaffungen wird verzichtet. Nur um eine neue Kaffemaschine kamen wir nicht herum“, sagt Bruder Dietmar, der betont: „Es gibt noch keinen Nachfolger für die Franziskaner.“ Zwar hatte sich eine Gemeinschaft interessiert, die sei aber wieder abgesprungen. Keinesfalls trete die Gruppe „Vivere“ in die Fußstapfen der Brüder, wie gerüchteweise behauptet werde. „Das ist eine Laien-Gruppe, die den ideellen Werten der Franziskaner nahe steht, mehr nicht.“
Kloster gehört dem Bistum
Und was geschieht mit den Möbeln, überhaupt mit dem ganzen Kloster? „Das alles gehört der Pfarrei, also dem Bistum, wir sind ja nur Mieter“, so Bruder Dietmar. Die Bibliothek holen sich Theologie-Studenten aus Münster ab und verkaufen sie, der Erlös geht an ein Projekt der Franziskaner in Syrien. Bruder Dietmar: „Das Gnadenbild gehört rein faktisch gesehen den Franziskanern. Aber wir sind nicht so verrückt und nehmen das mit.“