Sprockhövel. Bei Windrädern ist alles groß. Von der Sprockhöveler Grenze aus werden riesige Rotorblätter nach Hagen gebracht. Mit einem Wahnsinnsaufwand.
Seit November werden an der Stadtgrenze von Sprockhövel zu Schwelm sechs riesige Rotorblätter zwischengelagert, die für einen Windpark in Hagen bestimmt sind. Die enorme Herausforderung besteht darin, sie rund 44 Kilometer dorthin zu transportieren
Blut und Wasser geschwitzt
Mit knapp 70 Metern Länge und je 20 Tonnen Gewicht sind die Rotorblätter, die für die Montage an einer Windkraftanlage im Windpark Rafflenbeuler Kopf in Hagen bestimmt sind, nicht gerade handlich. Bis die Teams von TÜV und Straßenverkehrsamt gegen 22 Uhr den nächtlichen Abmarsch im wahrsten Wortsinn freigaben, haben die Verantwortlichen Blut und Wasser geschwitzt.
Der riesige Tieflader agiert führerlos, die Bediener der Steuerung laufen die 44 Kilometer von der Stadtgrenze Sprockhövel/Schwelm bis zum Bestimmungsort in Hagen zu Fuß. Sie navigieren hochkonzentriert jeden Zentimeter der Strecke mit Fingerspitzengefühl, Augenmaß und technischem Know How.
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Kräne hatten das Bauteil, das aussieht wie eine riesige Zipfelmütze, an deren Ende kleine grüne Signallichter leuchten, auf den Tieflader gehievt und auf eine Halterung gesteckt. Die Hydraulik erlaubt es, den Rotorflügel in unterschiedliche Schräglagen zu bringen oder gänzlich senkrecht beziehungsweise waagerecht zu positioniere. Die Position richtet sich nach Besonderheiten der Streckenführung oder Hindernissen in Form von Straßenbeleuchtungen, engen Kurven oder Ampelanlagen.
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Aufregung bei den Beteiligten
Mit leuchtenden Augen und einem Strahlen im Gesicht kam der Projekt- und Transportleiter der Transportfirma P. Adams Schwertransporte, Robert Müller, auf den Bauleiter Salvador Villalpando von der SL Naturenergie GmbH zu, die die Windkraftanlage in Hagen projektiert hat und baut: „Es kann losgehen, wir haben die Freigabe“, war er sichtlich erleichtert. Bauleiter Villalpando gab unumwunden zu: „Ich bin total aufgeregt. Das ist kein alltägliches Projekt!“.
Riesenbauteil senkrecht stellen
Auch ihm standen Stolz und Erleichterung ins Gesicht geschrieben, als sich der wie von Zauberhand bewegte Tieflader in Bewegung setzte, rückwärts von der Lagerfläche rangierte und sich schon nach wenigen Metern seiner ersten Herausforderungen stellen musste: Das Rechtsabbiegemanöver an der Ampelkreuzung Hattinger Straße/Gevelsberger Straße konnte nur millimetergenau gelingen, indem das 67,5 Meter hohe Bauteil senkrecht gestellt wurde. Dann tuckerte der blinkende Tross mit seiner riesenhaften Ladung den Berg hinauf Richtung Stadtgebiet Schwelm.
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20 Kilometer pro Nacht seien zu schaffen, wenn alles gut laufe, erläutert Salvador Villalpando, dann gebe es einen Parkplatz, auf dem das Rotorblatt zwischengeparkt werde, bis es am nächsten Abend die nächste Etappe zu bewältigen gelte. Die Witterung sei ein wichtiges Kriterium für den zügigen Transport; Regen sei weniger schlimm, bei Wind aber könne das Bauteil nicht weitertransportiert werden, erläuterte der Experte. Pressesprecherin Stefanie Flam thematisierte einen ökologischen Widerspruch:
Riesenumweg ist notwendig
„Die eigentliche Entfernung hätte nur acht Kilometer betragen, wenn wir die Rotorblätter über die A45 bis zur Autobahnabfahrt Hagen-Süd hätten bringen können. Diese Option über die Autobahnabfahrt Hagen-Süd über die A45 war aber nicht realisierbar, weil eine Brücke in Hagen die Last nicht aushalten würde.“
Fußmarsch durch die Innenstadt
Plan B sah vor, dass die Rotorblätter über die A 1 bis zur Abfahrt Remscheid gebracht und von dort weiter zum Windpark transportiert worden wären. Das sei aber wegen Baustellen auf dieser Autobahn nicht möglich gewesen, und so kam das Planungsteam der LS Naturenergie GmbH in die Bredouille: Die Zwischenlagerung an der Stadtgrenze und der kurvenreiche Fußmarsch durchs Stadtgebiet von Schwelm blieben als einzige Option. Die Entfernung beträgt so 44 Kilometer. Drei bis vier Tage dauert der Transport eines Blattes, insgesamt sechs waren auf dem Feld an der Kreuzung Hattinger Straße/Gevelsberger Straße zwischengelagert.
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Nächtliche Einzelaktionen für sechs Rotorblätter
Man gehe davon aus, dass alle sechs Rotorblätter in weiteren nächtlichen Einzelaktionen innerhalb der kommenden vier Wochen an ihrem Bestimmungsort ankommen würden, sieht die Planung von Salvador Villalpando und Robert Müller vor. Der leere Tieflader wird mithilfe einer Zugmaschine nach Schwelm zurückgebracht, kann mit 50 Kilometern pro Stunde in wenigen Stunden wieder am Lagerort sein.