Sprockhövel. Mila aus Sprockhövel leidet am seltenen Gendefekt KCNQ2. Durch ihre Krankheit ist ihr Verhalten oft unberechenbar und irritiert viele.
Eva Lünenschloß nennt es „eine Laune der Natur“: Einer ihrer Zwillinge, die mittlerweile viereinhalbjährige Mila, ist mit einem seltenen Gendefekt zur Welt gekommen. KCNQ2 heißt eine Veränderung an einem Gen, die zu verschiedenen Krankheitsbildern und schweren Behinderungen führen kann. Bundesweit sind aktuell nur 70 solcher Fälle bekannt.
Dennoch glaubt Eva Lünenschloß, die im Vorstand des gleichnamigen Vereins, der bundesweit aktiv ist, mitarbeitet, dass viel mehr Menschen an diesem Gendefekt leiden, ohne das zu wissen. Die Gentests sind aufwändig und teuer und werden nur in begründeten Verdachtsfällen durchgeführt.
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Als erfahrene Frühchen-Mutter sei ihr aufgefallen, dass Mila ein Krampfverhalten zeigte, das für Frühgeburten so nicht typisch ist. Das betreuende Ärzteteam blieb so lange skeptisch, bis sie das Neugeborene filmte und so den Beweis lieferte. „Es ist dem Engagement eines Oberarztes zu verdanken, dass ein Gentest durchgeführt wurde, der nach elf Wochen Aufenthalt auf der Intensivstation die Gewissheit brachte: Mila leidet an dem seltenen Gendefekt, der bei ihr sogar noch als Mutation ‚DE novo‘ vorlag.“
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Die Entwicklung des Neugeborenen sei gänzlich unvorhersehbar. Epilepsie, ein schwacher Muskeltonus, Sprachstörungen beziehungsweise Sprachlosigkeit, kognitive und motorische Entwicklungsstörungen und womöglich Autismus - die Behinderungen, mit denen Mila und ihre Familie zu kämpfen haben, sind vielfältig. Die Tests, mit denen Entwicklungsfortschritte dokumentiert werden könnten, kann sie nicht systematisch mitmachen.
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Dabei sieht Eva Lünenschloß es als eine besondere Herausforderung an, dass Milas Verhaltensweisen und Reaktionen für ihre Umwelt nicht absehbar sind: „Milas Verhalten auf einen bestimmten Input ist nicht kalkulierbar. Wir müssen uns immer situativ auf sie einstellen,“ beschreibt sie einen Umgang mit ihrer Tochter, den Eltern und Geschwistern im Laufe der Zeit erst lernen mussten. Auch ein veränderter Alltag, in dem immer wieder neue Herausforderungen gemeistert werden müssen, gehört dazu.
Mila kann zwar mittlerweile recht sicher laufen, nimmt aber keine Gefahren wahr (Autos, Unebenheiten, Hindernisse). Auch auf unebenem Gelände kann sie nicht gehen. Deshalb muss immer jemand in Reichweite sein. So sind die geliebten Wanderurlaube in den Bergen nicht mehr möglich, seitdem sie zu schwer ist, um getragen zu werden. „Das ist für uns aber kein Problem. Wir haben unsere Aufgabe angenommen, Prioritäten gesetzt“, erläutert Lünenschloß.
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Diese lägen bei den Kindern, und es sei ihnen als Eltern wichtig, dass Mila ein glückliches und zufriedenes Leben führen kann. Für die Umgebung seien ihre oft impulsgesteuerten Verhaltensweisen besonders auch bei Spannungszuständen befremdlich, aber ihre Geschwister Anni (8 Jahre) und Matti (4,5 Jahre) wüssten ihre Schwester gut zu begleiten.
Sie als Eltern hätten lernen müssen, keine Antworten auf die vielen Fragen zu bekommen, die ihnen durch den Kopf gingen: Wird Mila einmal selbständig essen können, wird sie jemals Schmerzen oder Unbehagen formulieren können. Auch die Frage, ob sie irgendwann selbstbestimmt wird leben können, kann nicht beantwortet werden, weil die Entwicklung bei diesem Krankheitsbild nicht vorhersehbar ist.
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Auf der Suche nach Hilfe und Orientierung, nachdem die Eltern die Nachricht von der schweren Behinderung ihrer Tochter nach Wochen der Unsicherheit erhalten hatten, fand Eva Lünenschloß die Internetseite des Vereins KCNQ2, der von einem betroffenen Vater in Trier gegründet worden war. Die Zusammenarbeit mit Experten, europäische und internationale Netzwerkarbeit, Informationen zur Orientierung und Hilfe, Tipps für die Bewältigung des Familienalltags und die Gewinnung von Neumitgliedern – die Arbeitsschwerpunkte sind vielfältig.
Auch die Öffentlichkeitsarbeit und das Einwerben von Spenden sei wichtig, erläutert Eva Lünenschloß. Eine tolle Spendenaktion hat sich aus der Lichterfahrt der Bauern aus Hattingen und Velbert in der Adventszeit ergeben: „Mit den Spendengeldern möchten wir unter anderem ein großes Elterntreffen organisieren und die Vereinsstruktur verbessern. Wichtig ist es, eine besondere Software anzuschaffen“, erläutert die engagierte Sprockhövelerin.