Sprockhövel. Seit einigen Jahren begleitet die WAZ das Schicksal des kranken Sprockhöveler Mädchens Lulu und seiner Familie. Jetzt hat die Geschichte eine überraschende Wendung genommen.
Über mehrere Jahre hat unsere Redaktion das Schicksal der Sprockhöveler Familie van Loon-Behr begleitet. Tochter Lulu lebte mit dem Risiko einer drohenden Leukämie-Erkrankung, und aus zermürbender Sorge um das Leben ihres Kindes suchten die van Loon-Behrs Rat und Hilfe bei zahllosen Medizinern. Keine Klinik war zu weit, als dass es die Familie nicht möglich machte, die gefährdete und von Erschöpfung gezeichnete Lulu vorzustellen und behandeln zu lassen. Und was viele als nicht möglich gehalten haben, ist eingetreten: Lulus Gesundheitszustand hat sich 2023 stabilisiert, die mittlerweile Zehnjährige besucht eine endlich wieder die Schule. Das war aus vorher wegen ihrer dauerpräsenten Infektanfälligkeit nicht möglich gewesen. Von der Transplantation, wie sie von einigen Ärzten über lange Zeit als einziger Ausweg aus der Krankheitsfalle bewertet wurde, ist jetzt keine Rede mehr.
Der kräftezehrende Druck ist raus
Ein Eindruck im Gespräch: Druck ist von der Familie gewichen, dieser immer anwesende Druck, etwas tun und um das Leben des Kindes kämpfen zu müssen. Die letzte ärztliche Diagnose hat es nochmal klar formuliert, aber auch der Alltag mit Lulu belegt es: „Sie trifft Freunde, geht wie alle anderen in die weiterführende Schule, ist fröhlich und einfach quicklebendig“, schildert ihre Mutter. Das ist ein Kontrast zu früher, der stärker nicht sein kann: „Lulu hatte zeitweise nur 25 Prozent Lungenfunktion. Das ist jetzt deutlich besser, oft runde 100 Prozent.“
Gesunden in schwieriger Zeit
Dabei könnten die äußeren Bedingungen zurzeit kaum schlechter sein: Corona ist wieder da, auf jeden Fall schnieft die halbe Republik - klassisches Erkältungswetter. „Das ereilt sie natürlich auch, aber sie erholt sich auch wieder davon“, sagt Samira van Loon-Behr. Endlich konzentriert sich nicht mehr das Familienleben allein auf Lulu, auch die anderen drei Kinder bekommen nun Aufmerksamkeit, die Kinder nun mal für ihre Entwicklung benötigen
Familie hat eine Veränderung durchgemacht
Jetzt, wo die Sorge um Lulu an Intensität abgenommen hat, zeigt sich, dass auch die Familie insgesamt eine Veränderung durchgemacht hat. „Das fing schon an, als wir Tag und Nacht damit beschäftigt waren, für Lulu und weitere medizinische Behandlungen bereit stehen zu müssen“, berichtet Vater Boris. Dieses dauernde „Gewehr bei Fuß“ vertrug sich überhaupt nicht mit den Anforderungen, die seine florierende Immobilienfirma an ihn und somit an die Familie stellte.
Immobilienfirma drangegegeben
Boris van Loon-Behr und seine Frau Samira fassten den Entschluss, sich von der Firma zu trennen. Das brachte einerseits einen größeren zeitlichen Verfügungsrahmen, aber noch mehr: „Unsere über Jahre währende Auseinandersetzung mit Gesundheit, gesunden Lebensmitteln und einer gesunden Lebensführung insgesamt hat den Wunsch in mir reifen lassen, meine berufliche Erfüllung in der Landwirtschaft zu suchen“, sagt der 46-Jährige.
Motto: Zurück zur Natur
Holzschnittartig könnte man sagen: Die van-Loon-Behrs wollen zurück zur Natur. „Etwas produzieren, was der Gesunderhaltung dient, denn Gemüse und Salat können so viel zu unserem Wohlbefinden beitragen“, sagt Mutter Samira. Das will ihre Familie. Um diesen neuen Plan fundiert umsetzen zu können, hat Vater Boris sogar ein wissenschaftliches Fernstudium begonnen: An der Hochschule Anhalt beschäftigt sich der Sprockhöveler Familienvater nun mit Agrarmanagement und Landwirtschaft.
Kotten im Felderbachtal
Die guten Verbindungen von Immobilienhändler Boris haben der Familie im Praktischen den Weg geebnet: Im Felderbachtal sind sie an einen alten Kotten mit drei Hektar Land gekommen, den sie pachten werden. „Der Vertrag liegt vor, wir wollen hier biologisches Gemüse ziehen“, sagt Boris. Samira entwickelt den Plan, für die Verarbeitung der gesunden Lebensmittel eine Gastwirtschaft einzurichten, um den Vorteil der Gesundheit weitergeben zu können. „Raus aus dem Hamsterrad“, fassen es die beiden Erwachsenen zusammen, das für sie am Ende der Metamorphose steht, wo Lulu hoffentlich dauerhaft gesund bleibt und die Eltern eine neue Aufgabe gefunden haben.