Oberhausen. Eine 72-jährige Frau verstirbt in ihrer Wohnung in Oberhausen. Das städtische Ordnungsamt macht einen Fehler: Es sucht nicht nach Angehörigen. Dabei gibt es Verwandte, wie ein Blick ins Melderegister gezeigt hätte. Die Familie ist geschockt über die Nachlässigkeit der Behörde.

Jetzt ist sie bei ihrem Sohn, so wie sie es gewollt hatte. Auf dem Liricher Friedhof steht die Stele, die sich Waltraud Schneider zu Lebzeiten als Grab für sich und ihren verstorbenen Sohn ausgesucht hatte. „Das war ihr Wunsch, Waltraud hat es uns immer gesagt“, sagt Wolfgang Langhorst mit fester Stimme. Der 78-Jährige blickt auf den Küchentisch. Lange hat er gekämpft, um seiner verstorbenen Schwester diesen letzten Willen zu erfüllen.

Beinahe wäre Waltraud Schneider anonym, allein beerdigt worden. Und beinahe hätte Wolfgang Langhorst als ihr Bruder davon gar nichts erfahren. Denn als das städtische Ordnungsamt den Fall der vermeintlich einsam verstorbenen 72-jährigen Waltraud Schneider am 3. Dezember 2013 von der Polizei übernahm, war keine Zeit, nach Verwandten zu suchen. Ein Blick ins Melderegister hätte ausgereicht.

„Besuch hat sie nicht gewollt“

Wolfgang Langhorst zeigt ein altes Foto seiner Schwester. Eine hübsche Frau war sie einmal, die schwarzen Haare gewellt, der Blick offen. Vor einigen Jahren wurde sie krank, sagt der Bruder. Am ganzen Körper hatte sie Pusteln, zog sich zurück in die verrauchte Wohnung mit den stets halb heruntergelassenen Rollläden. „Meine Schwester wollte keine Anrufe mehr und keine Besuche“, sagt Langhorst. „Das haben wir akzeptiert.“ Ein Mal in der Woche habe sie angerufen. Im Dezember war dann Funkstille.

Am 3. Dezember riefen Anwohner des Hauses an der Hahnenstraße in Alt-Oberhausen die Polizei, weil sich die Post an Waltraud Schneider sich seit Tagen stapelte. Die Beamten fanden die Verstorbene in der Wohnung. Fremdeinwirkung wurde ausgeschlossen.

Sachbearbeiter verließ sich auf Aussagen der Nachbarn

Über Verwandte konnten Nachbarn nichts sagen - Besuch hatte Schneider ja nie gehabt. Die Polizei rief das Ordnungsamt, das in so einem Fall nach Verwandten sucht. Sind keine da, werden Nachlass und die anonyme Beerdigung organisiert.

Statt wie üblich die Angehörigen der Verstorbenen im Einwohnermeldeverzeichnis zu suchen, verließ sich der zuständige Sachbearbeiter des Ordnungsamts auf die Aussagen der Nachbarn. Am 3. Dezember informierte er nur die Genossenschaft Gewo als Eigentümerin der Wohnung, die die vermeintlich verwahrloste Wohnung räumen ließ.

Vorwürfe statt Entschuldigung 

„In diesem Fall ist nicht mit der nötigen Intensität gearbeitet worden“, gibt Amtsleiter Horst Ohletz ohne Umschweife zu. Eine Personalstelle im Amt sei seit einem Jahr nicht besetzt gewesen, einer, der eh schon viel auf dem Teller hat, kümmerte sich auch noch um den Fall von Schneider. „Solche Fehler dürfen trotz allem nicht passieren“, sagt Ohletz. „Das tut uns leid.“

Samstags erfuhr Langhorst über einen Nachbarn vom Tod der Schwester, rief montags beim Ordnungsamt an. „Am Dienstag sollte die anonyme Beerdigung sein.“ Statt einer Entschuldigung seien Vorwürfe gekommen: „Wir als Familie hätten uns kümmern müssen. Meine Schwester wollte das nicht.“

Auch Fotos bekam der Bruder nicht

Gedrängt fühlte er sich, das Erbe seiner Schwester auszuschlagen – was die Stadt dementiert. Langhorst stimmte mündlich, später schriftlich zu. Er verlor offenbar unwissend selbst das Anrecht auf Fotos.

Die anonyme Beerdigung konnte Langhorst aber verhindern. Im kleinen Kreis verabschiedete er sich von seiner Schwester, von der ihm das Stammbuch mit dem Mädchennamen bleibt. „Es wäre ein Blick ins Telefonbuch gewesen“, sagt er immer wieder .Viele Fragen bleiben offen, sein Anliegen ist klar: „So etwas darf nie wieder passieren.“

Die vakante Stelle im Ordnungsamt ist mittlerweile neu besetzt.