Oberhausen.

Ein Linienbus ist manchmal ein eigener Mikrokosmos. Menschen unterschiedlicher Typen in verschiedenen Lebenssituationen prallen aufeinander. Für wenige Minuten. Für halbe Ewigkeiten. Das liegt meistens im Auge des Betrachters. Kann man auf engstem Raum, der ja eigentlich zur Beförderung dient, wo Punks auf Geschäftsleute treffen, Kinderwagen neben Rollatoren stehen, Wutbürger neben Friedensaktivisten warten, überhaupt noch überraschen?

Stimmung kann man spüren

Man kann. Der Kulturtransport hat es rund zehn Jahre lang bewiesen. Mit Sonderfahrten verfrachtete das Duo Michael Dilly und Christoph Kaiser Konzerte, Lesungen und Vorträge in die Kulisse eines Linienbusses. Und erreichte viel mehr als nur erlesenes Publikum. Regelmäßig stiegen die Kulturschaffenden einfach in den üblichen Linienverkehr, packten auf der Vierersitzbank Bass, Trommeln und Boxen auf. Wie zuletzt auf der Linie 960. Zum Abschied. Nach zehn Jahren rollender Kultur ist Schluss. „Das Konzept ist ausgelaufen“, sagt Christoph Kaiser. „Wir suchen nach neuen Ideen.“

Und zum Abschied gab es noch einmal so ziemlich alle Reaktionen, die der Kulturtransport mitten im Normalo-Linienverkehr bisher erfahren hatte. Wenn Michael Dilly seinen Bass streichelte. Mit dem Kollegen Achim „Löwe“ Jaroschek improvisierte. Bebop in Beat-Bop verwandelte. Und Hörbücher Geschichten zwischen Halteknopf und Notsitz erzählten.

Reaktionen von "Boah" bis "Buh"

Im Gegensatz zu Konzerten gelang dem Kulturtransport dann eine Überraschung, die Fahrgäste wussten meistens nichts davon, machten nach dem Einsteigen große Augen. Die Reaktionen reichten von „Boah!“ bis „Buh!“ Spontan erschallte Applaus. Manche wurden neugierig, fragten nach: „Wer ist das? Warum machen Sie das? Ist das der neue Service der Stoag?“

„Überwiegend sind die Leute positiv überrascht“, sagt Christoph Kaiser, der seine Idee nicht als Kulturschock verstanden haben will. „Wir möchten damit nicht provozieren, wohl aber etwas bieten, was ungewöhnlich ist.“ Michael Dilly konnte die Stimmung im Bus bisher immer spüren, obwohl er nicht hinschaut, die Reaktionen trotz offener Augen nicht sieht. „Manchmal kommen sogar Musikwünsche – spielt doch mal was von Marius!“

Müller-Westernhagen gab es bisher nicht. Dafür verfrachteten die Kulturtransporter mal ein Alphorn und einen ganzen Frauenchor in den Bus. Kaiser: „Plötzlich haben alle mitgesungen!“ Nun ist Endstation. Schade eigentlich.