Oberhausen. .

Es sind keine fünf Minuten vergangen, als die Anzeige umspringt: Statt nur noch zehn Minuten zeigt sie plötzlich 21 an. 21 Minuten noch, bis die Straßenbahn 112 aus Mülheim an der Haltestelle Landwehr eintreffen soll. „Pfff“, stößt eine junge Oberhausenerin aus, „schon wieder“ – der erste Unmut unter den rund 15 Wartenden macht sich breit.

Der zweite Unmut steht in den Gesichtern geschrieben, die die angekündigte Bahn verlassen. Denn die fährt nicht etwa durch, sondern biegt in den Wendekreis ein: Endstation. Alle – das sind weitere 20 Leute – müssen vom Nebengleis umsteigen. Mit sauren Mienen. Die nächste Bahn kommt zwei Minuten danach. Doch auch sie endet hier. „So langsam fühlt man sich veräppelt“, macht sich eine Frau Luft.

Die meisten rechnen mit Verspätung

Seit die Stoag im Juni erneut den Rotstift am Liniennetz angesetzt hat und jede zweite Bahn der stadtübergreifenden Linie 112 an der Stadtgrenze enden lässt, läuft hier nichts mehr rund: Verspätungen, sogar Ausfälle sind an der Tagesordnung, erzählen die verärgerten Fahrgäste – viele von ihnen sind langjährige Kunden der Stoag.

Mit grundsätzlicher Verspätung der 112 rechnen inzwischen die meisten: „Es passiert sehr oft und ist einfach ärgerlich, wenn man einen Termin hat“, sagt Gertrud Wurst. Die 87-Jährige ist deshalb lieber schon eine halbe Stunde früher an der Haltestelle. Auch für die 13-jährige Chantal Mollo ist das Warten an der Landwehr Alltag, „manchmal sogar 40 Minuten“, erzählt sie genervt.

Mülheim denkt über reinen Busverkehr nach

„Der neue Fahrplan ist besch...“, zürnt Rosemarie Reske (71), man könne sich nicht danach richten. Ohne Auto komme man aber nicht hier weg, auf die Bahn seien gerade Rentner angewiesen. Von denen gebe es viele an der Landwehr: „Man kann ja sparen, aber doch nicht beim Fahrgast“, kann Reske die Kürzung im Liniennetz nicht nachvollziehen. Schließlich würden auch die Tickets immer teurer.

„Das ist der Futterneid zwischen Mülheim und Oberhausen, das war schon immer so“, glaubt ein alteingesessener Styrumer an eine Stadtfehde. Doch weit ab von der Realität liegt er damit nicht: Denn während Oberhausen spart, müsste die Nachbarstadt in den nächsten Jahren viel Geld in ihren Fuhrpark investieren, um den Nahverkehr zu erhalten. 20 Mio Euro kostet er im Jahr. Für die gemeinsame Straßenbahn zahlt auch Oberhausen einen Beitrag zu diesen Kosten an den Betreiber Mülheimer Verkehrsgesellschaft (MVG). Indem die Stoag aber nur jede zweite Bahn nutzt, sinkt auch die Beteiligung. Mülheim geht dadurch bares Geld verloren.

Ein Problem für Mülheim, denn seine Straßenbahnen sind störanfällig, in der Mehrzahl sogar reif fürs Museum: 23 der 27 Bahnen haben 29 bis 37 Jahre auf dem Buckel. Sie müssten ersetzt werden für weit über 50 Mio Euro. Offen denkt man deshalb im Mülheimer Rathaus über die Umstellung auf einen reinen Busverkehr nach. Doch damit verlöre auch Oberhausen seine einzige Straßenbahn.