Mülheim.
Viele Politiker sind geschockt: 600 Millionen Miese drohen der Stadt in den nächsten Jahren, sollte die Kommune am jetzigen Schienen- und Straßenbahn-Angebot festhalten.
„So deutlich sind uns die Zahlen noch nie vor Augen geführt worden“, sagt der SPD-Fraktionschef Dieter Wiechering und gesteht, dass ihm dies große Sorgen bereite. Ist das der Anfang vom Ausstieg aus der Straßenbahn in Mülheim, den Leute wie Hendrik Dönnebrink, Chef der zuständigen städtischen Beteiligungsholding, für dringend geboten hält?
Kann sich Mülheim Stadt ein solches Bahnnetz leisten?
Zumindest wächst die Nachdenklichkeit. Die SPD hält die Entscheidung für so weitreichend, dass sie nicht nur Verwaltung und die Partei dazu in die Pflicht nehmen will, sondern am liebsten auch den Bürger per Ratsbürgerentscheid befragen möchte. Monate-lang hat die Politik über Haltestelle, Linienverkürzungen und neue Strecken im Zuge der Nahverkehrsplanung debattiert und steht jetzt neu vor einer Grundsatzentscheidung: Kann sich eine so arme Stadt überhaupt noch so ein Bahnnetz leisten?
Für die FDP steht schon lange fest: „Wir können uns das nicht leisten“, betont Ratsherr Wolf Hausmann mit Blick auf die heutige und künftige Generation. Er hatte im letzten Jahr versucht, zuallererst diese Grundsatzfrage zu klären. Ohne Erfolg. „Eine Mehrheit im Rat hat sich weggeduckt, das war die erste Fehlentscheidung.“
Halbierung der Straßenbahnbestellung wahrscheinlich
Sätze wie diese von Hendrik Dönnebrink schlugen in der Politik jetzt ein: „Wir investieren 150 Millionen Euro, um in 30 Jahren jedes Jahr 20 Mio. Euro mehr Verlust zu machen.“ Geld, das an anderer Stelle dringend gebraucht wird. Die Straßenbahn samt Tunnel und Haltestellen sind in Mülheim zu einem gigantischen Investitionskoloss geworden. Die erste Reaktion in der morgigen Ratssitzung dürfte die Halbierung der Bestellung von neuen Straßenbahnen von 20 auf zehn sein.
Die Grünen, bekanntlich Straßenbahn-Befürworter, sprechen sich ebenfalls für diese Kürzung aus und fordern nach der Sommerpause ein Ratshearing unter der Thematik „Busse versus Straßenbahnen – ein finanzieller und öko-logischer Vergleich“.
CDU peilt mittelfristigen Ausstieg an
Die CDU peilt schon stärker den mittelfristigen Ausstieg aus der Bahn an, wo es möglich ist, und fordert von der MVG, dass jetzt „nur die notwendigsten Investitionen zur Sicherung des Betriebes durchgeführt werden“, so Fraktionschef Wolfgang Michels, immerhin auch Aufsichtsratschef der MVG. Er hält die Straßenbahn für leistungsfähig, sieht aber auch die oft geringe Nutzung und stellt kritisch fest: „Betriebswirtschaftlich ist das System idiotisch.“