Oberhausen/Mülheim. . Ein Mülheimer Rentner klagt über das Laub städtischer Baume in seinem Garten. Jeden Herbst kehrt soviel Laub zusammen, dass es mehrere Dutzend Müllsäcke füllt. Jetzt sagt der 83-Jährige: “Ich kann nicht mehr“. Die Stadt verweist auf die Baumschutzsatzung - für's Laub sei sie nicht verantwortlich.
Georg Soll und seine Frau lieben es naturnah, doch was der 83-jährige Dümptener jedes Jahr an Laub aus seinem Garten karren muss, wird ihm allmählich zu viel: 36 Säcke kommen locker zusammen.
Dabei steht auf seinem Grundstück nicht ein einziger Laubbaum. Die Ursache liegt vielmehr außerhalb: An Solls Garten führt eine dicht bewachsene Allee vorbei. Für die Pflege der Bäume ist zwar die Stadt Mülheim verantwortlich, denn die Bäume liegen auf dem Gebiet der Nachbarstadt, nicht jedoch für das abfallende Laub auf Solls Grund.
Nur Pflichten, keine Rechte?
An sich ist schon Solls Grundstück am Bauerfeld in einer kuriosen Situation: Bis zum Gartenhaus liegt es auf Oberhausener, dahinter aber auf Mülheimer Gebiet. Das Laub kümmert die Stadtgrenzen allerdings wenig, und auch das Mülheimer Grünflächenmanagement und Umweltamt lehnen die Verantwortung für das üppige städtische Blattwerk auf privatem Grund ab.
„Hat man denn als Bürger nur Pflichten, keine Rechte?“, fragt wiederum Soll, und fühlt sich mit dem Problem im Stich gelassen. Denn vor 30 Jahren, als der Kommunalverband Ruhr (KVR) – heute Regionalverband (RVR) – die Allee anlegte, sagte man ihm, die Bäume würden „nicht hoch wachsen“, erinnert sich der 83-jährige Dümptener.
Soll hat sich damals auf die Aussage des KVR verlassen. Zu unrecht, denn „nicht hoch“ ist offenbar eine Frage der Perspektive. Bei Soll übersteigen die einst kleinen Bäume inzwischen das Hausdach. Und obwohl die meisten von ihnen einige Meter von seinem Grundstück entfernt stehen, liegt im Herbst das Laub aufgrund ihrer stattlichen Höhe in allen Ecken seines Gartens: auf Rasen und Wegen, über Pflanzen und Sträuchern, die dann kaum mehr zu sehen sind.
Die angrenzenden Bäume werfen zudem harte Beeren ab; die verstopfen die Dachrinnen seines Hauses und seiner Gartenlaube, wegen der Verschattung vermoost die Laube zudem umso schneller. Mühevoll muss der Rentner alles selbst von dem reinigen, was hier nicht hingehört, sondern von außerhalb auf sein Grundstück fällt.
Der Bürger muss es hinnehmen
Georg Soll fühlt sich mit der Beseitigung allein gelassen, denn die Stadt beruft sich auf ihre Vorschriften: Die Kommune habe die Pflicht, durch Grün für ein gutes Klima in der Stadt zu sorgen, wehrt Sylvia Waage, Amtsleiterin des Mülheimer Grünflächenmanagements, die Einwände Solls ab, auch wenn sie für den 83-Jährigen durchaus Verständnis hat.
Die Sträucher an der Grundstücksgrenze schneide ihr Team zwar zurück, „der Bürger muss die Bäume aber hinnehmen“, so Waage, „sie unterliegen der Baumschutzsatzung.“ Nur wenn eine Verkehrsgefahr bestünde, hätte die Stadt die Erlaubnis, die Bäume zu fällen. Doch diese Gefahr bestehe nicht.
„Der Bürger muss es hinnehmen“, wiederholt Jürgen Zentgraf, Leiter des Mülheimer Umweltamtes, und argumentiert: „Das ist ja kein Einzelfall: Tausende Bürger müssen jedes Jahr Laub und Schnee von städtischen Gehwegen und eigenen Grundstücken beseitigen.“ Zudem, glaubt Zentgraf, hätte er es mit noch mehr aufgebrachten Bürgern zu tun, wenn die Bäume gefällt würden. Wer die schöne Natur genießen wolle, müsse auch Nachteile hinnehmen.
Man müsste einen triftigen Grund haben, so der Umweltamtsleiter: 36 Säcke Laub gehören offenbar nicht dazu. Im Fall von Georg Soll – das räumt Zentgraf jedoch ein – handle es sich schon um eine starke Belastung.
„Ich kann nicht mehr“, klagt Soll, der ein Leben lang durch Wald und in den Bergen gewandert ist, über zu viel Natur. Der Herbst steht vor der Tür: „Die Stadt sollte in ihren Plänen bedenken, was sie langfristig anrichtet.“