Oberhausen. .

In der Mitte des Klassenraumes liegen auf einer Decke Koranausgaben, Gebetsketten aus Holzperlen, Bilder von der berühmten Blauen Moschee, Gebetsteppiche. 19 Kinder sitzen im Stuhlkreis darum herum, sie oder ihre Eltern stammen aus Mazedonien, der Türkei, Syrien, Bosnien, dem Irak oder Libanon.

Was die Schüler der dritten und vierten Klasse der Brüder-Grimm-Schule eint: Sie alle sind islamischen Glaubens und gehören zu den ersten Schülern in Nordrhein-Westfalen, die am neuen, regulären Schulfach Islamunterricht teilnehmen. Zwar gibt es schon seit 1999 die Islamkunde an NRW-Schulen, aber anders als das nun eingeführte Fach soll sie religiös neutral sein und nur über den Islam informieren. Der Islamunterricht dagegen ist bekenntnisorientiert, analog dem katholischen oder evangelischen Religionsunterricht.

Deutsch ist Unterrichtssprache

„Salem aleikum“: Grundschullehrerin Fereba Seleman hat ihre Schüler zu Anfang der Stunde mit diesem islamischen Gruß willkommen geheißen. „Friede sei mit dir“, übersetzt die 39-Jährige die Formel. Überhaupt: Fereba Selemann nennt zwar die religiösen Begriffe in arabischer Sprache, liefert aber auch die deutsche Übersetzung mit und generell ist Deutsch die Unterrichtssprache in diesem Fach.

Die Lehrerin möchte an diesem Montag in der sechsten Stunde über die Dinge sprechen, die da auf der Decke liegen. „Wir haben fünf Stück davon zu Hause“, sagt Hafssa aufgeregt, hüpft von ihrem Stuhl hoch und zeigt auf den Teppich. „Was ist das denn“, fragt Fereba Seleman. „Ein Gebetsteppich“, rufen Aldina, Dilan und ein paar andere rein. „Ihr sollt euch melden!“, mahnt Frau Seleman, bestätigt dann „ja, richtig“ und stellt ein Kärtchen mit der Bezeichnung daneben.

Noch keine regulären Lehrpläne

Ervin dagegen weiß, dass die Gebetskette 33 Perlen hat. „Was macht man damit?“, will Fereba Seleman wissen. „Mein Vater sagt immer ‘Alhamdulillah’ wenn er die Kette in Händen hält“, murmelt einer. „Genau“, sagt die Lehrerin, „auf Deutsch heißt das ‘Gott sei Dank’. Die Gebetskette ist dafür da, Gott, Allah zu lobpreisen und ihm zu danken.“ Seleman lässt die Kinder aufzählen, wofür sie Allah danken könnten: „Weil wir leben.“ „Weil wir etwas zu essen haben.“ „Weil wir Anziehsachen haben.“ „Weil wir die Welt haben.“

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Von Gregor Boldt

Auf reguläre Lehrpläne kann sich Fereba Seleman bei ihrem Unterricht noch nicht stützen. Aber es gibt, wenn auch wenig, Lehrmaterial und Bücher von Schulbuchverlagen. Zwischenmenschliche Beziehungen, Gemeinschaft, die Schöpfung, die Prophetengeschichten, der Koran, all dies wird Thema in den zwei Wochenstunden sein. „Es gibt so viele Sachen, religiöse Rituale, bei denen die Kinder aber nicht wissen, was dahinter steht, darüber möchte ich mit ihnen reden“, sagt die Grundschullehrerin. Andere Religionen seien außerdem ein wichtiger Bestandteil des Unterrichts. Um mit Angehörigen anderen Glaubens ins Gespräch kommen zu können, müsse man die anderen Vorstellungen kennen lernen, so Seleman. „Es geht darum, andere Religionen wertzuschätzen, das hat uns unser Prophet vorgelebt.“

Wissen ist die Basis für Toleranz 

„Wissen ist die Basis für Toleranz“, bekräftigt Schulleiterin Christel Ostermann, „und deswegen ist es gerade wichtig, den Islam als Unterrichtsfach in die Schulen zu tragen. Hier ist das transparent, hier wird Deutsch gesprochen, hier weiß ich, was da gelehrt wird“. Das sei besser, als wenn die Kinder in einer Hinterhof-Moschee unterwiesen würden, „das kann ich Skeptikern nur entgegen halten“.

Die Brüder-Grimm-Schule ist eine von 44 Grundschulen in NRW, die den neuen Islamunterricht anbieten. Und die erste in Oberhausen. „Die größte Glaubensgruppe an unserer Schule sind die muslimischen Kinder“, sagt Rektorin Christel Ostermann, „da war es überfällig, diesen Religionsunterricht bei uns einzuführen.“ Etwas über 200 Kinder besuchen die ersten bis vierten Klassen an der Lothringer Straße, 93 davon kommen aus muslimischen Familien.

Neuer Studiengang ab dem Wintersemester

Gerade einmal knapp über 30 Schüler machen vorerst beim Islamunterricht mit – jeweils eine Gruppe mit 13 Mädchen und Jungen aus der ersten und zweiten Klasse sowie eine Gruppe aus der dritten und vierten mit 20 Teilnehmern. „Wir hatten mehr Anmeldungen“, berichtet Christel Ostermann. Sie verweist auf die Schwierigkeit, Lehrer für das Fach zu finden, bisher gebe es wenig ausgebildetes, geeignetes Personal. „Frau Seleman ist schon über zehn Jahre bei uns an der Schule und hatte immer signalisiert, dass sie das gerne machen würde“, sagt die Rektorin.

So hat Fereba Seleman bereits im vergangenen Halbjahr eine Islam-AG an der Brüder-Grimm-Schule durchgeführt. Für die Lehrbefähigung für den Islamunterricht musste die Primarstufenlehrerin eine zusätzliche Prüfung vor dem eigens dafür eingerichteten muslimischen Beirat in NRW, dem Islamwissenschaftler angehören, ablegen. Voraussetzung: „Man muss selber dem Glauben angehören und eine Lehrerausbildung haben“, sagt Fereba Seleman. Erst ab diesem Wintersemester gibt es den Studiengang „Islamische Religionslehre“ an der Universität Münster.