Oberhausen. .
Fünf Jahre lang zog Natascha S. ihren Sohn auf, jetzt, wo dieser im Kindergartenalter ist, will die 23-Jährige eine Ausbildung machen. Am liebsten würde sie Tierarzthelferin werden. Doch es ist nicht einfach für S., die vor neun Jahren aus Russland kam und ihren wahren Namen nicht nennen will. Die Hauptschule hat sie geschafft, als Bürohilfe gearbeitet und auch ihr Deutsch ist gut. Was ihr fehlt, ist eine Chance. Den Einstieg in das Berufsleben soll ihr jetzt ein Minijob erleichtern.
Ausgerechnet, würden Kritiker sagen. Erst vor kurzem mahnte eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung die prekären Erwerbsverläufe an, die gerade Frauen in Minijobs durchleben: Gerade einmal neun Prozent der Minijobberinnen arbeiteten anschließend auf einer Vollzeitstelle.
Zahl der Minijobber stark gestiegen
Und dennoch ist er in Oberhausen voll im Trend: Die Zahl der Minijobber in Oberhausen ist in den letzten zehn Jahren stark angestiegen. 21.682 zählte die Bundesagentur im Juni 2011 gegenüber 14.538 im Juni 2001, und auch hier sind es überwiegend Frauen (67,4%), die in einer geringfügig entlohnten Beschäftigung arbeiten.
Die Gründe können vielfältig sein, sieht Katrin Gellenbeck, Arbeitsvermittlerin im Jobcenter, auch Chancen, „zum Beispiel, wenn Frauen nach langer Erziehungsphase wieder im erlernten Job Fuß fassen wollen.“
Kontakte knüpfen
Der Minijob biete auch im Fall von Natascha S. „eine gute Orientierung“, glaubt die Arbeitsvermittlerin, „man kann die Wunschberufsfelder kennenlernen, fachgerechte Erfahrungen machen und erste Kontakte knüpfen.“ Auch das Geld spielt eine Rolle: Mit einem Minijob fällt S. aus den Sozialbezügen raus.
Mit welchen beruflichen Voraussetzungen man eine geringfügige Beschäftigung ergreift, ist jedoch in den seltensten Fällen bekannt: Bei 69,2 Prozent der Minijobber wurde die Berufsausbildung gar nicht erfasst, von 17 Prozent weiß man, dass es keine gibt und der Anteil der Akademiker ist mit 1,2 % gering.
Die Ausbildung eines Minijobbers scheint zudem kaum eine Rolle zu spielen: Die meisten von ihnen sind ohnehin in Dienstleistungsberufen (85,2 %) zu finden, die auch ungelernten Arbeitssuchenden einen schnellen Einstieg ermöglichen. „Gute Chancen hat man als Verkäufer im Einzelhandel, Reinigungskraft, in der Gastronomie und als Alten- und Krankenpfleger“, sagt Gellenbeck. Gerade einmal 11,1 % der Minijobs gibt es hingegen in Fertigungsberufen, die eine Ausbildung benötigen und am wenigsten in den akademischen Technischen Berufen (0,5%).
Männer ziehen übrigens mit Frauen nur dann gleich, wenn sie neben dem Hauptberuf noch etwas hinzuverdienen müssen, um sich und ihre Familie zu ernähren. Aus der „Chance“ für Jobsuchende, ist in manchen Berufssparten eine Not geworden. „Friseure verdienen häufig nicht sehr viel“, nennt Katja Hübner, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit Mülheim/Oberhausen,ein Beispiel. Bei ihnen sei der Minijob zum Hauptberuf häufig nicht nur beliebt sondern notwendig.
„Ich schaffe das“
Dass diese auch bedenkliche Entwicklungen zur Folge haben, will der Pressesprecher des Oberhausener Jobcenters Josef Vogt nicht verschweigen: „Es gibt Branchen, etwa der Einzelhandel oder das Reinigungsgewerbe, in denen Arbeitsverhältnisse aufgespalten werden, um damit längere Arbeitszeiten zu erreichen.“
Natascha S. sieht dennoch eine bessere Chance für eine Ausbildungsstelle, wenn sie sich aus einem Minijob heraus bewirbt: „Ich schaffe das“, sagt die 23-Jährige optimistisch. Und wenn es mit dem Traumberuf „Tierarzthelferin“ nicht klappt, könnte sie sich auch vorstellen als Kosmetikerin oder Friseurin anzufangen.
Arbeitgeber, die ihr eine Chance geben möchten, können sich an Katrin Gellenbeck im Jobcenter Oberhausen wenden unter 41 00 661.
Ein Job-Vernichter
Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung kritisiert Minijobs als „arbeitsmarktpolitischen Irrweg“. Die so Beschäftigten würden häufig niedriger bezahlt und haben keinen eigenen Anspruch auf Krankenversicherung und Rente.
Nach Meinung von Rainer Hanisch vom Arbeitslosenzentrum (Malz) vernichtet der Minijob Vollzeitarbeitsplätze: „Arbeitgeber im Einzelhandel“, führt Hanisch als Beispiel an, „bekommen so mehr Mitarbeiter, können damit günstig längere Öffnungszeiten ermöglichen. Jemand, der nur vier Stunden arbeitet, ist zudem noch leistungsfähiger als ein Vollzeitbeschäftigter.“
Deutlich weniger Beschäftigte als 2001
Statistisch gesehen, liegt Hanisch damit nicht falsch. Zwar ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in zehn Jahren insgesamt „nur“ um etwa 1000 gesunken, doch am deutlichsten im Bereich der Vollzeit. In Oberhausen gibt es heute etwa 2500 Beschäftigte weniger als noch 2001. Die Teilzeitarbeit legte hingegen um fast 1700 zu, Minijobs um 7000.
„So baut sich kein sozialer Schutz auf“, kritisiert der Mann vom Malz. Dass ein Minijob zu einer vollen Stelle führte, hat er noch nicht erlebt: „Die meisten machen ihn nicht aus Spaß, sondern weil sie es müssen.“