Oberhausen. .

Anett Schwey und Günter Hümbs haben keinen einfachen Job: Die Mitarbeiter der Agentur für Arbeit müssen Oberhausener Betriebe davon überzeugen, Menschen mit Behinderung einzustellen. Zwar ist jedes Unternehmen gesetzlich verpflichtet, eine Quote von 5 Prozent zu erfüllen und Eingliederungen werden staatlich kräftig unterstützt. Doch zahlen einige, besonders die großen privaten Unternehmen, lieber einen Abgleichsbetrag. Von bis zu 350.000 Euro jährlich weiß Schwey sogar in einem Fall zu berichten. Den Namen will sie aber nicht preisgeben.

Zum Glück gibt es in dieser Hinsicht auch Vorzeigebetriebe. Möbel Rück ist einer von ihnen. Unter seinen 675 Mitarbeitern bundesweit zählen 65 zu solchen, die eine Behinderung haben. Damit erfüllt Rück weitaus mehr als der Gesetzgeber vorschreibt - warum eigentlich? „Ob Behinderung oder nicht ist für uns schon lange kein Thema mehr“, sagt Geschäftsführer Volker Schirg, „einfach normal“.

Und das liege an den guten Erfahrungen, meint Schirg, häufig zählten gerade sie zu den besonders motivierten und loyalen Mitarbeitern. Nahezu in jedem Bereich des Möbelunternehmens werden sie eingesetzt - je nach Fähigkeiten und Art der Behinderung.

Vorurteile kommen erschwerend hinzu

Sven Walter ist einer von ihnen. Als der heute 20-Jährige vor rund vier Jahren entdeckte, dass sich das Hören auf einem Ohr verschlechterte, wechselte er von der Gesamt- auf eine Förderschule. In großen Gruppen und lauter Umgebung hat er Schwierigkeiten sein Gegenüber zu verstehen - die Schulleistungen ließen deshalb nach. „Auf der Förderschule gab es kleine Klassen“, sagt er. Das vereinfachte das Lernen, ne­benbei fing er bei Rück als Aushilfe an.

„Bei uns reißen sich alle Abteilungen um ihn“, lobt Schirg, Sven Walter will aber eine Ausbildung in Lagerlogistik abschließen, die Kollegen nehmen auf sein Hörproblem Rücksicht.

Warum ist es in vielen Betrieben offenbar dennoch schwer, Menschen mit Behinderung zu integrieren? Von 250 Fällen, die Günter Hümbs unterstützt, schaffen es gerade einmal zehn in eine Ausbildung und auf den ersten Arbeitsmarkt. Manche würden auch eigenständig eine Arbeit finden, so Hümbs, doch das Gros lande in einer Behindertenwerkstatt oder in Weiterbildungsmaßnahmen.

„Vorurteile“, benennt Arbeitsvermittlerin Anett Schwey als einen erschwerenden Faktor in der Vermittlung, „die Personalräte glauben häufig, behinderte Menschen seien unkündbar, seien weniger produktiv, hätten mehr Tage Urlaub im Jahr“.

Abgabe tut nicht weh

Nur der letzte Punkt träfe zu, sagt Schwey. Eine höhere Quote, ist sie überzeugt, brächte dennoch keine Verbesserung, denn die Unternehmen zahlten einfach die Abgabe von bis zu 250 Euro pro Stelle und Monat. Das tue ihnen nicht weh. „Sie würden es auch bei einer Quote von zehn Prozent so machen.“

Andreas Wenzel, Personalchef bei Rück, sieht jedoch das Problem auch von der Arbeitgeberseite: „Es gibt häufig zu wenig qualifizierte Kräfte, um die Quote zu erfüllen.“ Diese Schwierigkeit hatte er als Personalleiter in einem anderen Großunternehmen mit 2000 Mitarbeitern. Es sei eben auch die Frage, wer wie ausgebildet sei - und ob die Fachkraft in der Nähe wohne.

Ähnlich ergeht es manchen Branchen, die mit Vorurteilen kämpfen müssen. So findet ein Mülheimer Call-Center kaum Mitarbeiter, weil die Branche in Verruf geraten ist, erzählt Hümbs und will nun 15 Schwerbehinderte ausbilden. „Wir haben vermittelt, aber uns auch vorher davon überzeugt, dass das Unternehmen gute Arbeitsbedingungen bietet“, sagt der Berater der Bundesagentur für Arbeit.