Oberhausen. Rund 1800 Demenzkranke werden in Oberhausen von ihren Angehörigen gepflegt. Dafür soll es bald mehr Geld geben. Oberhausener Fachleute sehen weiteren Nachbesserungsbedarf.
Erst vergessen sie Kleinigkeiten, dann ihren eigenen Namen und ihre Vergangenheit, später erkennen sie oft nicht einmal mehr ihre Liebsten. Rund 3000 Demenzkranke gibt es in Oberhausen, etwa 1800 von ihnen werden von Angehörigen betreut. Um diese finanziell zu entlasten, will die Bundesregierung die Pflegebeiträge Anfang 2013 ein Stück weit erhöhen. 225 Euro sollen Menschen, die in die Pflegestufe 0 eingestuft wurden und zu Hause ambulant gepflegt werden, erhalten, ihren Angehörigen sollen 120 Euro zustehen.
„Das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein“, weiß Ursula Jakobs vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Oberhausen aus zahlreichen Gesprächen mit pflegenden Angehörigen. Die Erhöhung der Beiträge sei der erste Schritt auf einem richtigen Weg. „Aber dieser Beitrag reicht lange nicht aus. Da gibt es weiterhin Nachbesserungsbedarf.“
Freiräume schaffen
„Die Pflegeversicherung hat nicht den Anspruch alles vollständig abzudecken“, erklärt Hans Stratmann von der AOK und zieht einen Vergleich zur „Teilkaskoversicherung“. Mit dem zusätzlichen Geld könnten sich Angehörige ein Stück Freiheit erkaufen. „Der pflegende Angehörige soll die Möglichkeit bekommen, bestimmte Angebote autark einkaufen zu können“, erklärt Stratmann. So könne mit diesem Beitrag etwa der Besuch einer Tageseinrichtung finanziert werden. „Pflegende Angehörige vernachlässigen oft ihre eigenen Bedürfnisse. Dabei ist es wichtig, dass sie sich Freiräume schaffen“ – etwa für ein Treffen mit Freunden, einen Einkaufsbummel oder den Friseurbesuch. Ziel müsse es sein, die Lebensqualität der Kranken und ihrer Betreuer zu verbessern. Wichtig sei, dass die Gelder ohne „hochbürokratische Verfahren“ genehmigt würden: „Die Diagnose des Arztes sollte ausreichen, um die Pflegestufe und das Geld zu erhalten.“
Da viele Demenzkranke auch klare Momente haben, könne der Medizinische Dienst bei einem Hausbesuch kaum herausfinden, ob eine Pflegestufe berechtigt sei. „Viele Demenzkranke sind körperlich fit, haben aber eingeschränkte kognitive Möglichkeiten“, weiß Jan Katner, Leiter der Pflegeberatungsstelle Oberhausen. „Der Begriff der Pflegebedürftigkeit muss meines Erachtens grundsätzlich anders definiert werden.“ Dass der Pflegeaufwand noch immer nach Minuten berechnet werde, kann der Experte nicht nachvollziehen. „Der Hilfebedarf ist meist viel höher. Dieser Beitrag ist nicht ausreichend, um pflegende Angehörige angemessen zu entlasten“.
24-Stunden Betreuung
„Demenzkranke brauchen rund um die Uhr Pflege“, weiß die examinierte Altenpflegerin Angelika Krietemeyer, die sich in ihrem Ruhestand für das „Netzwerk Demenz“ engagiert. „Die Betroffenen sind gesundheitlich fit, können aber den Alltag nicht mehr allein bewältigen.“ Sie bräuchten Hilfe beim Anziehen, beim Essen, Zähneputzen – eben bei fast allem: „Wie man das alles macht, haben sie vergessen.“
Wichtig sei es, die Betreuer zu unterstützen. „In vielen Fällen ist eine kurzfristige Betreuung dringend erforderlich. Hilfreich wäre es, wenn man mit diesem Geld eine kurze Pflege zu Hause finanzieren könnte“ – die müsste man aber erst einmal bekommen. Oft reiche das Angebot nicht aus, selbst in Notsituationen sei eine Betreuung kurzfristig schwer zu organisieren. Externe Angebote kämen für viele kaum in Frage, da Veränderungen für Demenzkranke beängstigend seien. Wünschenswert sei, dass pflegende Betreuer die Unterstützung bekämen, die sie in ihrem speziellen Fall bräuchten. „Denn was Angehörige Demenzkranker bei der Betreuung und Versorgung leisten, ist enorm.“