Oberhausen. . Meistens ist es Menschen mit Demenzerkrankung, um die sich Markus Hönicke kümmert. Wenn die Krankheit so weit fortgeschritten ist, dass Entscheidungen nicht mehr selber getroffen werden können, springt er ein und übernimmt die Pflegschaft und kümmert sich um die Betreuung.

Mit 18 Jahren hat Markus Hönicke seine erste Pflegschaft übernommen. Seither betreut der 53-Jährige Menschen, die aufgrund einer Erkrankung oder eines Unfalls nicht mehr in der Lage sind, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Der Diplom-Sozialarbeiter ist bei der Ev. Familienhilfe e.V. tätig, die 1993 von Caritas und Diakonie gegründet wurde und als einziger Verein in Oberhausen Betreuungen durchführt. Derzeit bearbeiten acht Mitarbeiter 272 Betreuungsfälle.

Im Gespräch mit Markus Hönicke wird schnell klar, dass er liebt, was er tut: „Weil ich die Menschen liebe.“ Die 90-jährige Frau, die orientierungslos in der Stadt gefunden wird und aufgrund einer fortgeschrittenen Demenz nicht mehr in ihre Wohnung zurückkann. Den alten Mann, der sich von seinem Sohn bestohlen fühlt, der ihm zehn Jahre beistand, bis die Demenz des Vaters dessen Argwohn sät.

In beiden Fällen übernahm Markus Hönicke die Betreuung: „Die alte Dame hatte ein kleines Vermögen, das musste ich für die Heimfinanzierung verwalten. Und ich musste ihren Haushalt auflösen.“ Etwas, das ihm nicht leicht fällt: „Ich wusste nicht, was ihr wichtig ist, was sie behalten möchte. Aber das musste ich entscheiden.“

Das Wohl des Betroffenen im Blick

Dann ist er froh, wenn Angehörige, Freunde oder Nachbarn helfen. „Ich muss abwägen, was das Wohl des Betroffenen ist, wenn es um eine Heimunterbringung geht. Lieber gut betreut im Heim und unglücklich oder weniger intensiv betreut daheim, aber glücklich.“ Seine Erfahrung hilft ihm: „Und der gesunde Menschenverstand und die Intuition.“

Gelegentlich müsse er den Disput mit Angehörigen aushalten, die zum Beispiel mit einer Heimunterbringung nicht einverstanden sind, weil die Geld kostet: „Ich stehe plötzlich mitten im Leben eines Anderen.“ Das sei ein Grund dafür, dass nach Möglichkeit Angehörige oder Freunde als Betreuer ausgewählt werden: „Da besteht schon eine Vertrauensbasis.“ Bundesweit werden rund 30 Prozent der Betroffenen von Fremden betreut - eine recht hohe Zahl.

Der Aufwand variiert

Als Betreuer hat er so ziemlich alles erlebt, sagt Hönicke: „Ich habe eine Frau kennen gelernt, die ihren Mann 50 Jahre gepflegt hat. Eine Krankenschwester hat neben ihrer Berufstätigkeit ihren bettlägerigen Mann gepflegt und fünf Jahre nie länger als eine Stunde am Stück geschlafen. Ich weiß nicht, wie man das aushält. Ich gehe um 18 Uhr und versuche, das Meiste im Büro zu lassen. Das können die Angehörigen aber nicht.“

Der Betreuungsaufwand, so Hönicke, sei von Fall zu Fall verschieden: „Aufwändig wird es immer, wenn Immobilien im Spiel sind, die eventuell verkauft werden müssen.“ Als Betreuer sei er verpflichtet, genau Rechenschaft abzulegen über das, was er tut. Die Finanzierung erfolgt über gestaffelte Pauschalen und wird entweder aus dem Vermögen des Betreuten bestritten oder aus der Sozialkasse, so Berthold Bendorf, Leiter des Amtsgerichts Oberhausen.

Immer mehr junge Leute

Für die Zukunft erwartet Hönicke eine Zunahme junger Betroffener: „Die Zahl der Anfang 20-Jährigen wächst, die unter drogeninitiierter Psychose leiden, keinen Schulabschluss und Familienhalt haben, sich um nichts kümmern, mit der Justiz in Konflikt geraten.“ Dann geht es um Hartz IV-Anträge, eine Wohnung - um erste Schritte in ein eigenes Leben: „Aber manchmal komme ich an diese jungen Menschen nicht ‘ran. Sie wollen einfach nicht.“

Nicht selten steht ein Betreuer auch vor der Frage: Sollen lebensverlängernde Maschinen abgeschaltet werden oder nicht. Hönicke: „Das ist die schwerste Frage überhaupt. Heute ist das Thema Sterben aus der Gesellschaft verdrängt. Die Menschen wollen sich damit nicht beschäftigen. Deshalb legen viele nicht fest, was in einem solchen Fall geschehen soll.“

Tod gehört zum Leben

Hönicke schildert das so: „Als ich bei meinem Kind die Nabelschnur durchschnitt, wusste ich nur eines sicher: Es wird sterben. Irgendwann. Alles was dazwischen geschieht, weiß ich nicht. Das Sterben sollte wieder zu unserem Leben gehören.“

Vom Tag des Betreuungsrechts am 10. November verspricht sich Hönicke, dass mehr Informationen eine breitere Öffentlichkeit erreichen und das Thema enttabuisiert wird. „Und ehrenamtlichen Betreuer können wir immer gebrauchen.“

Mehr Info im Internet unter www.kirche-oberhausen.de

Tag des Betreuungsrechts am 10. November im Amtsgericht Oberhausen

Gerichte sind nicht nur mit Strafprozessen befasst; einen großen Teil ihrer Arbeit nimmt das Betreuungsrecht in Anspruch - zumeist unbeobachtet von der Öffentlichkeit. Um das zu ändern, lädt das Amtsgericht Oberhausen am „Tag des Betreuungsrechts“ am 10. November in der Zeit von 14 bis 18 Uhr zu einem Informationstag ein.

Berthold Bendorf (62), Leiter des Oberhausener Amtsgerichts, erklärt: „Zurzeit bearbeiten wir 2700 Betreuungsverfahren. Eine hohe Zahl. Die Tendenz ist steigend.“ Das liege daran, dass Familienverbände immer seltener für Angehörige zur Verfügung stehen, wenn dieser seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann.

So viel wie nötig

Zum anderen steige mit zunehmendem Alter der Bevölkerung die Zahl der Betreuungsverfahren. Bendorf: „Es sind oft Demenzerkrankungen, die eine Betreuung notwendig machen.“ Ein Richter entscheidet über das Maß der Betreuung. Bendorf: „So viel Betreuung wie nötig, aber so wenig wie möglich. Es geht darum, für den Betroffenen ein Höchstmaß an Eigenverantwortlichkeit zu erhalten.“

Hat der Patient einen Wunsch, wer seine Betreuung übernehmen soll, so wird das Gericht dem in der Regel Folge leisten: Bendorf: „Es geht um Vertrauen.“ Nur, wenn dies nicht möglich ist, wird ein Betreuer vom Gericht bestimmt - in der Regel in Zusammenarbeit mit der Ev. Familienhilfe e.V., einem Kooperationsverein von Diakonie und Caritas, dem einzigen Betreuungsverein in Oberhausen.

Neuerungen beim Betreuungsrecht

Bendorf begrüßt die Neuerungen im Betreuungsrecht: „Früher gab es die Entmündigung. Damit hat man dem Betroffenen jede eigene Entscheidung abgenommen. Heute geht es darum, dem Wohl des Betroffenen zu entsprechen und ihn soweit es geht, in Entscheidungen einzubeziehen.“

Viele glauben, wenn ihnen etwas passiert, könnten automatisch der Ehepartner oder die Kinder für sie entscheiden. Bendorf: „Ein fataler Irrtum. Man sollte frühzeitig schriftlich eine Vorsorgevollmacht ausstellen und am besten beglaubigen lassen. Das erleichtert dem Gericht die Entscheidung, wenn der Betreuungsfall eintritt.“

Diese und weitere Fragen beantworten Amtsgerichtsmitarbeiter am 10. November im Gerichtsgebäude an der Gerichtsstraße, es gibt Vorträge und die Möglichkeit zu Beratungsgesprächen. Wer bereits eine Vollmacht entworfen hat, kann diese vor Ort beglaubigen lassen (Personalausweis mitbringen!).