Oberhausen. . Ulrich Schneider ist in einer Arbeiterfamilie in der Alten Mitte groß geworden. Heute ist er der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Ein Porträt im Rahmen der NRZ-Serie „Söhne und Töchter Oberhausens“.
Er stammt aus einfachen Verhältnissen, ist in einer Arbeiterfamilie in der Alten Mitte groß geworden. Als erster in der Familie hat er Abitur gemacht, das war damals etwas ganz Besonderes. Heute ist Ulrich Schneider Hauptgeschäftsführer beim Paritätischen Wohlfahrtsverband. Mit seiner Frau und seinen zwei Kindern lebt er in Berlin. Dort ist zwar sein Zuhause, Heimat ist und bleibt aber Oberhausen.
In einer Zwei-Zimmer-Wohnung an der Styrumer Straße hat Ulrich Schneider als Kind mit seiner Schwester und den Eltern gelebt. Das Schlafzimmer haben sie sich zu viert geteilt. Auch der Umzug in eine Drei-Zimmer-Wohnung hat nicht viel an der Situation geändert. Die ältere Schwester hatte nun zwar ein eigenes Zimmer, Schneider teilte seines aber weiter mit Mutter und Vater. Zum Schlafen zog er nachts ins Wohnzimmer. „Die Wohnungen waren unheimlich eng“, erinnert sich der 53-Jährige.
Die meiste Zeit verbrachte er deshalb auf der Straße. „Da hat man sich nur da rumgetrieben, wo’s verboten war“, verrät Schneider und erinnert sich an „viele Baustellen, die man unsicher machen konnte“. Mit seinen Kumpels hat er sich zum Bolzen auf dem Schulhof getroffen. „Ruckzuck Moltkeschule“ hieß sein Verein. Neben Fußball spielte Schneider Handball und ging Schwimmen. Seine Freizeit vertrieb er sich auch als Pfadfinder. In der Messdienergruppe lernte er den zwei Jahre jüngeren Christoph Schlingensief kennen, der später ein berühmter Regisseur werden sollte.
Immer auf Achse kannte Schneider die Gegend wie seine Westentasche. Und auch wenn er es damals nicht leicht hatte, die Zeit im Ruhrgebiet hat der 53-Jährige in guter Erinnerung. In Oberhausen habe er sich pudelwohl gefühlt. „Man kann sich gar nicht vorstellen, warum man überhaupt mal woanders wohnen sollte“, sagt Schneider. 1979 verließ er dann doch seine Heimat. An der Universität Bonn studierte er Erziehungswissenschaften. Für den damals 21-Jährigen eine aufregende Zeit, die er als Abenteuer beschreibt: „Das war toll, aufregend.“ Nach dem Studium hat Schneider an der Universität Münster promoviert. Beim Paritätischen Wohlfahrtsverband in Berlin übte er verschiedene Funktionen aus, war zum Beispiel Sozialwissenschaftlicher Referent und DDR-Beauftragter, bevor er 1999 schließlich Hauptgeschäftsführer wurde.
„Da springt einen wirklich die Armut an“
Ulrich Schneider hat damit einen riesigen Sprung geschafft. Als junger Erwachsener war er sehr optimistisch. Die Stadt Oberhausen hat eine gute Grundlage geliefert: „Wir hatten alle eine Perspektive. Man hatte Jobs, die Stadt war im Wachsen. Das hat sich heute brutal verändert.“ Erst kürzlich hat Schneider den aktuellen Armutsbericht vorgestellt. „Das Ruhrgebiet ist Problemregion Nummer Eins“, auch in Oberhausen merke man das: „Da springt einen wirklich Armut an.“
Ab und an ist der 53-Jährige zu Besuch in der Stadt. Seine Heimat hat sich verändert. „Die Marktstraße wurde in übelste Mitleidenschaft gezogen“, fällt ihm auf. Früher habe sie ein besseres Ansehen gehabt. Trotzdem ist es jedes Mal schön, nach Oberhausen zurück zu kehren. „Das ist nun mal meine Heimat!“
Aber Zuhause, das ist er jetzt in Berlin. „Das ist eine tolle abwechslungsreiche Stadt.“ Heimat und Zuhause, das sind für Ulrich Schneider zwei verschiedene Dinge. „Heimat ist ein Gefühl, das man mit einer Region verbindet, wenn einem warm wird. Zuhause ist da, wo man wohnt. Da kann einem auch warm werden, aber das ist wie verwandt und angeheiratet.“