Oberhausen. .
Er hätte nie gedacht, dass er ein Lehrer sein könnte, und dann war er es doch über 30 lange Jahre: Christian Kock ist im Ruhestand. Bis zum Freitag, 22. Juli, unterrichtete der 65-Jährige am Oberhausener Hans-Sachs-Berufskolleg Maschinenbau/Metalltechnik und Evangelische Religion.
An seinem Büro pappte außerdem ein Schild mit der Aufschrift „Drogenberatungslehrer“ und seiner privaten Handynummer. „Das ist in all der Zeit ganz selten missbraucht worden“, sagt Kock über seinen Vertrauensbeweis an die Schüler. Überhaupt: Bei denen wollte er sich zum Ende seiner Dienstzeit ausdrücklich bedanken.
Ausgebrannt, frustriert, enttäuscht nach so vielen Jahren in den Mühlen des Schulalltags? Scheint nicht der Fall zu sein, Christian Kock würde wohl trotz seiner 65 Jahre weitermachen, wenn man ihn ließe. Lehrer ist ein Traumberuf, davon ist er überzeugt. Aber ein Job, „den man mit Liebe machen muss und bei dem man verzeihen können muss“. Den Schülern zum Beispiel, wenn sie trotz gegenteiliger Absprache und eindeutiger anderer Regeln bei der Klassenfahrt doch dem Alkohol zusprechen. Oder wieder mal ihr Arbeitsmaterial vergessen haben und Christian Kock in seine Kiste greifen musste, damit der junge Mensch am Unterricht teilnehmen konnte.
Macht einen Lehrer das nicht wütend oder mürbe - dieses ewige Anrennen gegen Windmühlenflügel, diese ständigen Wiederholungen, Neuanfänge, Konflikte? „Kocki“, wie ihn die Schüler nannten, findet das nicht. „Ihr möchtet, dass ich mit Euch ordentlich umgehe, dann macht das bitte auch mit mir“, formuliert er einen seiner pädagogischen Grundsätze frei nach Kants kategorischem Imperativ. Und dass er es schade findet, dass „zwischen Lehrern und Schülern größtenteils das Gefühl des Gegeneinanders“ vorherrsche. „Schule kann schön sein“, so das Credo von Kock.
„Ich habe ein Jahr lang fast nicht geschlafen“
Das fand der Marathonläufer und Laufsportler als Junglehrer vielleicht nicht unbedingt: Nach seinem Maschinenbau-Studium in Duisburg sattelte er noch die Studiengänge evangelische Religion und Erziehungswissenschaft drauf, um dann auch während des Studiums schon an einem Tag in der Woche zu unterrichten. „Ich habe ein Jahr lang fast nicht geschlafen“, beschreibt Christian Kock den Druck und Stress. „Ich hatte Angst zu versagen und etwas falsch zu machen“. Den heutigen jungen Kollegen rät der Pensionär zu mehr Gelassenheit, „wir sind keine Übermenschen und dürfen auch Fehler machen“.
Das Ende seiner Dienstzeit konnte der Beamte in den letzten Tagen an einem Maßband ablesen, das er ums Handgelenk trug und von dem jeden Tag ein Zentimeter abgeschnitten wurde. Den großen Schlüsselbund, den Lehrer mit sich herumtragen, den hat er abgeben müssen. Um die Pflanzen in seinem Klassenraum kümmern sich hoffentlich weiter die, die auch nach den Sommerferien wieder in den Bänken sitzen.
Laufen als Ausgleich
Tausende von Schülern hat Kock in seiner Laufbahn unterrichtet oder begleitet, deren Urteil über die scheidende Lehrperson lässt sich nicht einholen, aber soviel ist sicher: Die fanden den „Kocki“ manchmal ein bisschen verrückt. Aber bekannt ist er, wird auch schon mal angesprochen: „Ich soll Sie schön grüßen von meinem Vater, der hat auch schon bei Ihnen gehabt.“
Das Laufen, das bisher auch als Ausgleich gedacht war, um fit für den Schulalltag zu sein, das kann Christian Kock jetzt noch intensiver betreiben. Ab jetzt sind immer Ferien.