Den Termin mit ihm auszumachen, ist nach wie vor schwer. „Es geht im alten Rhythmus weiter”, sagt Schulamtsdirektor Helmut Weinreich, obwohl er in wenigen Wochen in den Ruhestand geht. Im August wird er 64 Jahre alt.
„Jetzt steht die Lehrerversetzung fürs neue Schuljahr an, alle müssen versorgt sein. Wir dürfen keine Neueinstellungen vornehmen, müssen alles über Vertretungskräfte regeln. Zwei unserer Hauptschulen laufen aus. Kollegen müssen auf die anderen Schulen verteilt werden. Sie nehmen zum Teil Schüler mit. Wir müssen das alles möglichst demokratisch und einvernehmlich lösen.”
Weinreich ist zuständig für die zur Zeit noch sieben Oberhausener und drei Mülheimer Hauptschulen sowie für die Grundschulen in Alt-Oberhausen. „Die Hauptschulen werden mittelfristig aufgegeben und in ein Gemeinschaftsschulsystem integriert”, ist der Schulamtsdirektor überzeugt. Ein Zwei-Säulenmodell sei die Perspektive. „Das Gymnasium bleibt. Daneben wird es Lernen unter einem gemeinsamen Dach für alle geben, wo natürlich alle Schulabschlüsse möglich sind.”
Daran, dass sich solche Systemveränderungen recht zügig organisieren lassen, zweifelt Weinreich nicht. Dafür hat er schon zu viele Neuerungen erlebt. Die seiner Meinung nach entscheidendste Veränderung des Schulsystems ereignete sich 1968, „als die Volksschule Auslaufmodell war und man Schüler in Grund- und Hauptschulen schickte.“ Da war Weinreich noch am Lehrerseminar in Dinslaken. „Die Entscheidung fiel um Ostern. Die Städte hatten damals neun Monate Zeit, um das zu organisieren. Dass es klappte, sei „eine enorme Leistung der Schulträger” gewesen.
„Ärmel hoch und durch!”, das sei ein Hauptschul-typisches Motto und ist wohl immer auch seines geblieben. Nachdem er mal gerade ein Jahr lang unterrichtet hatte, übertrug man ihm bereits die Aufgabe, Lehramtsanwärter zu betreuen. „Ich hatte die Chance, das Fachseminar Physik und Chemie zu übernehmen”, erinnert sich Weinreich. Sie machte ihm Spaß, diese Mischung aus Theorie und Praxis, „denn zur Hälfte bin ich Lehrer geblieben.”
Ende der 70er Jahre übernahm er die Leitung der Hauptschule Dinslaken-Lohberg. „Das war eine schöne Zeit”, sagt der rückblickend. 15 Jahre blieb er dort. „Es war die beste Hauptschule in Dinslaken und Umgebung. Es kamen viele Schüler aus Italien und der Türkei durch Zuzüge der Familien.” Begabte Schüler seien es gewesen. „Schüler, deren Eltern bildungswillig waren, sich aber nicht trauten, ihre Kinder aufs Gymnasium zu schicken. Es wurden immer mehr, die Schule wuchs von zwei auf fünf Züge. Es waren engagierte Kollegen dort.”
Trotzdem ging’s auf Weinreichs Karriereleiter noch eine Sprosse weiter in Richtung Schulaufsicht. Er wurde zunächst Schulrat und dann Schulamtsdirektor in Oberhausen. Höher wollte er nicht hinaus, denn dann hätte er sein politisches Engagement – SPD-Ratsherr im Stadtrat Dinslaken – aufgeben müssen. Er liebt es nämlich auch, politisch etwas zu bewegen. Engagiert Schule zu gestalten, sei die eine wichtige Säule, findet er. Die andere sei die Aufgabe, für die richtigen Rahmenbedingungen zu sorgen. Noch heute ist Weinreich als fachkundiger Bürger Mitglied im Schulausschuss in Dinslaken. „Es war mir immer wichtig Politik konkret umzusetzen.”
Trotz aller Hauptschulerfahrungen – Weinreich sind auch „seine” Grundschulen wichtig. Er betont, dass sie es waren, die in den letzten Jahren die meisten Zusatzaufgaben erhielten. „Neue Richtlinien, Ganztag, Englisch, Projekte wie Jeki”, zählt er auf, das alles sei nur mit enormem Einsatz zu stemmen gewesen. „Wir müssen aufpassen, dass wir die Grundschulen nicht überfrachten”, warnt Weinreich. Die Grundpfeiler des Lernens seien schließlich immer noch Schreiben, Rechnen, Lesen. Die Grundschulzeit auf sechs Jahre auszudehnen, ist eine Idee, die Weinreich gefällt. „Ich bin auf jeden Fall dafür”, sagt er. „Aber das muss man alles organisieren.” Das wird sein Nachfolger machen. Und was macht Weinreich, wenn er nicht mehr die Fäden zieht? „Ich räume erstmal meinen Arbeitsplatz auf und dann kommt Lesen!”