Oberhausen. . Die Heinrich-Böll-Gesamtschule in Oberhausen hat nicht genügend Plätze und lehnt Kinder aus dem Ort ab. Wer an der Gesamtschule aufgenommen wird, entscheidet das Losverfahren. Insgesamt 56 Schüler mussten abgewiesen werden.
Robin B. (11) kann die Entscheidung nicht verstehen. Der Grundschüler wollte nach den Sommerferien an seine Wunsch-Schule wechseln, die Heinrich-Böll-Gesamtschule (HBG). Doch die Schule entschied per Losverfahren: Kein Platz für Robin.
Mutter Andrea B. ist verzweifelt: „Das ist unglaublich, unfassbar. Robin ist noch nie so blass gewesen wie jetzt. Ich muss meinem Kind doch irgendwie helfen können.“ Die Schule liege nur wenige Gehminuten von der Haustür entfernt. Alle seine Freunde und auch der ältere Bruder besuchten die HBG. Bei der Anmeldung hätte die Sekretärin versprochen, dass sie sich keine Sorgen machen müsse: Robin wohne ja in direkter Nachbarschaft der Schule.
Was Andrea B. außerdem ratlos macht: „Selbst Kinder aus Dinslaken oder Bottrop haben einen Platz an der Heinrich-Böll-Gesamtschule bekommen.“ Der Schulleiter des HBG, Reiner Geßwein, dementiert allerdings: „Bei uns sind nur Oberhausener Kinder angenommen worden. Und dass unsere Sekretärin eine Zusage gegeben haben soll, kann ich mir absolut nicht vorstellen.“ Natürlich habe er Verständnis für den Ärger der Mutter: „Das ist nicht schön.“ Gerade wenn bereits Geschwisterkinder die Schule besuchen würden, sei die Entscheidung „besonders hart und unerfreulich“ für die Familie.
Losverfahren fair?
Das Losverfahren sei jedoch eine faire Chance, meint Geßwein. Bei dem Diktat des Zufalls gibt es zwei Lostöpfe. In einem liegen die Namen der Schüler mit einem Notendurchschnitt bis 3,0, in dem anderen die mit einem schlechteren Schnitt. Aus beiden Gruppen seien gleich viele Kinder ausgelost worden. Würde man den Schulweg als weiteres Kriterium berücksichtigen, würden viele Eltern, die nicht im Oberhausener Norden wohnen, benachteiligt - und das wäre ja auch unfair, erklärt Geßwein. Über das Kriterium Geschwisterkind wolle er in der Zukunft aber mit seinen Kollegen noch einmal reden.
Auch Michelle T. (10), die mit ihrer alleinerziehenden Mutter ebenfalls nur wenige Meter Luftlinie von der HBG entfernt wohnt, ist nicht angenommen worden. Sie habe geweint, klage nun über verstärkte Bauchschmerzen und weigere sich, den im Nachmeldeverfahren erhaltenen Platz an der Gesamtschule Osterfeld anzunehmen, sorgt sich ihre Mutter. Am 22. Februar bereits hat Tatjana G. den Brief mit der Absage erhalten. Darin heißt es: „(…) wegen der Aufnahme mehrerer schwer körperbehinderter Schülerinnen und Schüler“ belaufe sich die maximale Anmeldezahl auf 172 Kinder.
56 Schüler abgelehnt
Michelle und Robin sind nicht die einzigen Kinder, die von der HBG abgewiesen wurden: 56 Schüler konnten nicht aufgenommen werden – eine ähnliche Größenordnung wie in den Jahren zuvor. Auch die Gesamtschule Alt-Oberhausen, die Gesamtschule Weierheide und die Gesamtschule Osterfeld mussten Kinder wegen mangelnder Kapazitäten ablehnen. Die Hauptschulen dagegen suchen händeringend noch nach Schülern.
Tatjana G. schaltete ihren Rechtsanwalt ein, der bereits einen Widerspruch an die Schule schickte. HBG-Schulleiter Reiner Geßwein antwortete am 25. März. Er habe das Schreiben an die Bezirksregierung weitergeleitet. Zusätzlich hat sich die besorgte Mutter an ihren Hausarzt gewandt, der ihr attestierte: Bei ihrer Tochter Michelle „droht die psychische Verfassung zu eskalieren“, wenn sie keinen Platz an der HBG bekomme. Der Oberhausener Allgemeinmediziner befürwortet eine „Ausnahmeregelung“.
Die Mutter von Robin B. hat ihren Sohn bislang an keiner anderen Schule angemeldet. Und: „Er soll auf keinen Fall auf eine Hauptschule.“ Denn von einer anderen Schule abholen könne sie Robin nicht so ohne Weiteres, da der ältere Sohn regelmäßig ins Uni-Klinikum nach Essen begleitet werden müsse. Er habe einen krankhaft erhöhten Hirndruck ohne eindeutige Ursache. „Bei ihm muss regelmäßig Hirnwasser entnommen werden“, berichtet sie. Wie sie die Termine für ihre Kinder unter einen Hut bringen soll, wenn beide auch noch auf verschiedene Schulen gehen müssen, weiß sie nicht. Robin jedenfalls will nur eines: „Ich möchte auf die Schule, auf der mein Bruder ist.“
Ausbildungsordnung für die Sekundarstufe I
So steht es in der Ausbildungsordnung für die Sekundarstufe I (APO S I) des Landes NRW: „Übersteigt die Zahl der Anmeldungen die Aufnahmekapazität der Schule, berücksichtigt die Schulleiterin oder der Schulleiter bei der Entscheidung über die Aufnahme Härtefälle und zieht im Übrigen eines oder mehrere der Kriterien heran: 1. Geschwisterkinder, 2. ausgewogenes Verhältnis von Mädchen und Jungen, 3. ausgewogenes Verhältnis von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Muttersprache, 4. in Gesamtschulen Berücksichtigung von Schülern unterschiedlicher Leistungsfähigkeit, 5. Schulwege, 6. Besuch einer Schule in der Nähe der zuletzt besuchten Grundschulen, 7. Losverfahren.“