Oberhausen. Manja Kuhl und Henry Mayer sind Schauspieler am Theater Oberhausen. In “Waisen“ und “Drei Schwestern“ spielen sie ein Paar. Ob sie auch im wirklichen Leben zusammen sind, verraten sie nicht. Im WAZ-Interview sprechen sie über ihre Arbeit am Theater.
„Das Leben ist eine Überraschung. Theater auch“, sagt Manja Kuhl. Als sie ihre Schauspiel-Karriere in Peter Carps Ensemble begann, wollte sie „auf Augenhöhe akzeptiert werden“. Das ist mehr als gelungen. „Du bist die Größte“, sagt ihr Kollege Henry Meyer. „Andere Leben zu leben“, sagte er 2008, sei er an unser Theater gekommen. Dazu bieten sich ihm seither enorm viele Gelegenheiten.
In den Stücken „Waisen“ und „Drei Schwestern“ sind Sie ein Ehepaar. Hat das auch Auswirkungen aufs private Leben?
Henry Meyer: Dazu sagen wir nichts.
Manja Kuhl lachend: Na, schauen wir mal in neun Monaten. (Das hat sie als Anspielung auf „Waisen“ gesagt, weil sie in dem Stück als Helen ein zweites Kind erwartet.)
„Waisen“ und „Drei Schwestern“ wurden gleichzeitig produziert. War das eine besondere Herausforderung?
Kuhl: Es ist spannend, mit zwei Figuren schwanger zu gehen. Das verstärkt die Quirligkeit in der Rollenfindung.
Keine Überforderung? Für Laien ist es undenkbar, dass man zwei Rollen gleichzeitig einstudieren kann.
Meyer: Das ist unser Beruf. Es ist ein bisschen so wie beim Führerschein, auch wenn der Vergleich etwas hinkt. Wenn Sie lernen, Auto zu fahren, müssen Sie an alles getrennt denken, ans Kuppeln, Schalten, in den Spiegel schauen. Später ist alles automatisiert, Sie denken nicht mehr darüber nach.
Kuhl: Das Stück „Waisen“ kennt keiner. Doch das ist ja gerade das Schöne. Ins Kino gehen Sie ja auch nicht nur, wenn Sie die Geschichte kennen, das Buch gelesen haben. Überhaupt wär’s toll, wenn viel mehr Leute einfach kämen, um sich überraschen zu lassen.
Meyer: Als deutschsprachige Inszenierung in Deutschland war „Waisen“ eine Erstaufführung. Für uns Theaterleute war es ein völlig neuer Stoff.
Fürs Publikum auch.
Meyer: Die Zuschauergespräche waren immer stark frequentiert. Alle haben bestätigt: Es ist spannend von der ersten bis zur letzten Sekunde. Es ist ein Kammerspiel und folgt einer Partitur, wobei die Pausen entscheidend sind.
Kuhl: Es ist wie Tatort gucken. Ein Feuerwehrmann, der hinter der Bühne sitzt, hat gesagt: Ich habe noch nie so was Spannendes gehört. Techniker haben auch ein gutes Näschen dafür, ob etwas interessant ist oder nicht.
Meyer: Wie ein guter Krimi. Die Pause ist auch absichtlich so gesetzt, dass sich die Zuschauer fragen: Wie geht’s weiter?
Geht’s nicht in beiden Stücken um ein gescheiterte Familienideale?
Kuhl: In „Waisen“ existiert noch der Wunsch, es hinzukriegen. In „Drei Schwestern“ hat die Trennung schon stattgefunden.
Meyer: Da toleriert der Ehemann ja sogar ein Verhältnis seiner Frau mit einem anderen Mann und sagt: Es ist alles in Ordnung.
„Drei Schwestern“ spielt vor 100 Jahren. Hat das Stück noch etwas mit uns zu tun?
Meyer: Man bleibt in seinen Strukturen, schmiedet große Pläne und nichts von all dem findet statt. „Schwestern“ ist eine große Familiensaga, so ein bisschen wie die Buddenbrooks.
Kuhl: In Gesprächen über Schwestern geht’s oft um das Männlichkeitsbild.
Sie schauen sich immer auch die Stücke an, in denen Sie nicht mitspielen?
Kuhl: Das gehört dazu. Man muss doch gucken, was die anderen machen. Ich freu’ mich jetzt schon auf „Die Geister von Amnas“.
Hat Ihnen „Carmen“ gefallen?
Meyer: Ich fand’s lobenswert. Es war ein guter Abend.
Kuhl: Ich mochte es auch.
Die gute Stimmung im Ensemble wird oft angesprochen und gelobt.
Meyer: Das ist nicht selbstverständlich. So gut ist sie nicht überall Es liegt wirklich auch an Peter Carp. Er ist total engagiert. Es ist erst sein zweites Haus.
Kuhl: Er hat erreicht, dass das Haus überregional bekannt geworden ist. Man kennt Oberhausen. Ich wurde schon von Kollegen gefragt: Kann ich da auch spielen?
Haben Sie sich eingelebt bei uns?
Kuhl: Ja, die Menschen sind toll.
Meyer: Es gibt ja viele Treue, die immer wieder ins Theater kommen. Sie sind ein beherztes Publikum. Auch die Schulaufführungen sind gut besucht. Das Schauspiel ist ein Kommunikations-Ort. Ich sage: Bleibt neugierig! Kommt einfach, schaut euch was an! Dafür ist kein besonderes Fachwissen nötig.
Man darf auch mal zwischendurch klatschen?
Kuhl: Klar, man darf alles, auch lachen, Bravo oder Buh rufen.
Was sagen Sie zum „Nora“-Erfolg und wie haben Sie’s erfahren?
Kuhl: Riesig, das ist Wahnsinn. Ich hätte niemals gedacht, dass wir zum Theatertreffen fahren. Das sind Theater-Oskars. Peter Carp rief mich an. Damit hatte ich nicht gerechnet. Es war wie ein Eimer kaltes Wasser. Ich war allein in der Wohnung, bin rumgehüpft.
Meyer: Ich war in Berlin. Torsten Bauer rief mich an. Ich war aufgedreht wie ein Rumpelstilzchen. Die Leute haben gedacht, ich bin bekloppt. Ich darf das zum zweiten Mal erleben mit Ibsen! 1997, als ich in Mannheim war, war „Baumeister Solness“ des Regisseurs Gerhard Willert nominiert.
Kuhl: „Nora“ wurde ja jetzt auch verfilmt und kommt am 14. Mai auf 3Sat um 21.45 Uhr. In Berlin wird es zwei Aufführungen geben. Für die, die keine Karten bekommen haben, gibt’s Public Viewing im Sony Center.