Anwohner warten Bombenentschärfung in Oberhausen überwiegend entspannt ab
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Oberhausen. . Während die 1000-Kilogramm-Bombe in Oberhausen-Holten entschärft wurde, blieben die evakuierten Anwohner überwiegend entspannt. Die 91-Jährige Herta Grande freute sich sogar, bei dieser Gelegenheit endlich ihre Nachbarin mal wieder zu treffen.
Die Bombe, die am Dienstag in Holten entschärft wurde, ist das zweite Schwergewicht dieser Art in Oberhausen gewesen. „1983 hatten wir hier schon eine 1000-Kilogramm-Bombe“, sagt Stadtsprecher Rainer Suhr. Mit den gigantischen Sprengkörpern habe man im Zweiten Weltkrieg die Ruhrchemie treffen wollen.
Die Größe der Bombe, die zudem noch dicht unter der Erdoberfläche lag, macht jedenfalls die Evakuierung von 13 000 Menschen erforderlich. Ab 13.45 Uhr darf sich niemand mehr im Radius von 1,5 Kilometern rund um den Bombenfundort an der Bahnstraße aufhalten. Wer nicht weiß wohin, der ist in die Mensa der Heinrich-Böll-Gesamtschule eingeladen.
87-Jährige fühlt sich durch Bombenalarm in die Kriegs-Zeit zurückversetzt
Dort spielt Ivonne Böhler mit ihrer Tochter Isabell Karten. „Wir wohnen genau an der Straße, an der die Bombe gefunden wurde. Da passiert schon nichts, aber man macht sich Gedanken“, meint die 28-jährige Mutter. Hildegard Herforth wurde, wie rund 20 weitere Oberhausener, vom DRK in die Mensa gebracht. „Ich werde an die Kriegszeit erinnert. Damals waren wir Tag und Nacht auf, weil immer ein Alarm kommen konnte“, erzählt die 87-Jährige.
Helga Weiß trinkt mit ihrem Mann Günter in der Mensa Kaffee: „Solche Dinge sind immer so weit weg gewesen. Da ist es schon beunruhigend, plötzlich selbst betroffen zu sein“, sagt die 68-Jährige, die auch ihren Hund Charly mitgebracht hat. Doris Schimohr ist besorgt: „Wir haben Eigentum, es ist ein komisches Gefühl, dass man da plötzlich raus muss.“
Evakuierung als willkommene Gelegenheit um Nachbarn zu treffen
Erfreut über die Evakuierung ist Herta Grande: „Ich freue mich hier zu sein, denn ich habe gerade meine Nachbarin getroffen. Wir wohnen nebeneinander und sehen uns nie. Jetzt haben wir endlich mal Zeit zum Reden“, berichtet die 91-Jährige. „Das heißt jetzt aber nicht, dass wir häufiger evakuiert werden wollen“, zwinkert ihre Nachbarin.
Bombe entschärft
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An anderer Stelle, in Holten, 300 Luftlinie vom Bombenfundort entfernt, ist das Chemiewerk Oxea verwaist. „Wir sind noch nie evakuiert worden“, sagt Sprecherin Birgit Reichel. Alle 1000 Mitarbeiter sowohl von Oxea, als auch von deren Partnern und von Fremdfirmen mussten das Gelände verlassen. „Wir haben gestern angefangen, die Produktionsanlagen kontrolliert herunterzufahren“, sagt Reichel. 250 Mitarbeiter warten nun in Bussen darauf, die Anlagen nach der Entwarnung sofort wieder hoch zu fahren. Was bis Donnerstagnachmittag dauern wird. Die Höhe der Verluste für Oxea müssten erst noch berechnet werden. Reichel: „Es wurde extra eine Kostenstelle dafür eingerichtet.“
Chemiewerk sei nicht gefährdet
Das Chemiewerk selbst sei nicht gefährdet, sagt Josef Roguski, Fachbereichsleiter Öffentliche Odnung. „Durch die Druckwelle bei einer Explosion der Bombe könnten bei Oxea höchstens Scheiben splittern.“ Anders sehe es bei Wohnhäusern aus. „Mauern, die durch eine Druckwelle eingedrückt würden, könnten durch die anschließende Sogwelle einstürzen.“
„Bei einer Detonation erreichen die Splitter am Anfang eine Geschwindigkeit von 1200 Meter pro Sekunde“, erklärt Suhr. Für den Fall der Fälle, um ihnen die Wucht zu nehmen, hat man am Bombenfundort Richtung A3, die den Evakuierungsradius schneidet, Strohballen aufgestellt. „Das Stroh bekommen anschließend die Tiere im Kaisergarten“, sagt Roguski.
Bombenentschärfung in Oberhausen
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Mittwoch. 14.35 Uhr an der Bahnstraße in Holten. Kampfmittelräumer Peter Giesecke steht in einer lehmig-wässrigen Kuhle. Gerade hat er eine 1000 Kilogramm schwere amerikanische Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft. Ein „mordsmäßiges Teil“, wie er sagt, gefüllt mit 500 Kilogramm TNT. Und was sagt Giesecke, als all die Kameras der Presse klicken, um den großen Moment im Bild festzuhalten: „Jetzt krieg ich langsam Angst bei so vielen Fotoapparaten.“
Zündmechanismen sind unabhängig von der Bombengröße immer dieselben
Für den Oberhausener, der für den Kampfmittelräumdienst der Bezirksregierung in Düsseldorf arbeitet, war sein Einsatz erneut ein Heimspiel. Allerdings diesmal mit der größten Bombe, die er je entschärfte. „Die Zündmechanismen sind aber bei kleinen wie großen Bomben gleich“, sagte er noch ganz gelassen vor seinem Einsatz. Danach spricht er dann auch von einer „normalen Geschichte“. Der Zünder sei etwas angefressen gewesen, „aber doch gut raus zu schrauben.“ Eine halbe Stunde brauchte der 57-Jährige. „Eine relativ normale Zeit“, erklärt Giesecke.
Kaum, dass die Bombe entschärft ist, werden alle Straßensperren aufgehoben, dürfen alle 13 000 Evakuierten zurück in ihre Wohnungen oder an den Arbeitsplatz.
Johannes Matuszczak (71), der schon seit 31 Jahren an der Hermannstraße wohnt, die Bombe praktisch im Garten hatte, ist dann auch schon wieder dabei, als dieses monströse Relikt des Krieges mit seiner dicken Lehmhaut auf einen Wagen verladen wird. Mit Frau, Vogel und Hund war er nach Walsum geflüchtet und meint über die Tage von der Entdeckung der Bombe am Freitag bis zur Entschärfung: „Wir waren schon sehr angespannt.“
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