Geschichtsunterricht, mal närrisch, mal skurril: Der gestrige Prinzenempfang und die Verleihung der Eulenorden für die Session 2009/2010 hatten einen eigenwilligen, meist niveauvollen Charakter.
Was soll aber auch groß schiefgehen, wenn der Chor der Heideschule ein wunderschönes „Als die Römer frech geworden” singt und Marco I. als Prinz Karneval von Groß-Oberhausen seine phänomenale Garde einen sensationellen Tanz darbieten lässt. Und wenn Christine Mertens, kurz später mit dem Eulenorden hübsch dekoriert und leider dürftig laudatiert, zu ihrem Abschied aus der ersten Reihe der Trainergarde ihrem KG-Prinzen noch einen Extra-Tanz schenkt.
Die Fähigkeit vom Blatt abzulesen beherrscht Marco I. bei weitem nicht so gut wie die spontane Reaktion, aber nachdenkenswert war sein Appell, die Nachwuchsarbeit im Karneval noch zu forcieren, allemal. Immerhin brachte seine Rückreise in die Entstehung des Karnevals manch aufschlussreiche Erkenntnis, etwa dass die damals geworfenen Rosenblätter das Konfetti von heute sind. Außer dem einzigen geistlichen Beistand in der Ritterrunde wusste wohl auch niemand, dass der Karneval das letzte große Fest vor Ostern ist, dass er ohnehin mit der christlichen Gemeinschaft eng verbunden ist. Und dass die dem heutigen Karneval artverwandten Feste im damaligen Rom das Ziel hatten, mit ihrem Lärm die Lebensgeister zu wecken und den Tod abzuschrecken.
Beinahe eine halbe Stunde überzogen, Walter Paßgang als Präsident des Euelenordens bemühte sich mit der ihm eigenen launigen Moderation, den Rückstand aufzuholen, der Fairness halber aber ist anzumerken, dass das närrische Programm hohe Qualität hatte. Andreas Römer - nomen est omen - zeigte als Bauchredner mühelos internationales Format, sein erotisches Geplänkel mit einer Zigarette wäre schon ein eigenes kleines, ganz feines Soloprogramm. Christine Mertens als Oberhaupt der römischen Garde, Hermann-Josef Kanders aus der Nähe von Xanten stammend, die neuen Ordensritter fügten sich nahtlos in den antiken Charakter des Prinzenempfangs. Für Christine Mertens ist der Orden wie der Oscar in der Filmszene, Kanders fühlte sich „geehrt, in Oberhausen als Niederrheiner eine solche Auszeichnung zu erfahren. Ansonsten überließ der sozial, närrisch wie kulturell engagierte Volksbank-Vorstand seinen Dank weitgehend dem Kabarettisten Kai Magnus Sting, der die Gäste mitnahm auf einen grandiosen Parforce-Ritt durch die lateinisch eingefärbte Ruhrgebietsgrammatik. „Hömma” zu deklinieren hat schon etwas Absurdes, Andre Rieu als Fritten-Fidel aus Holland zu bezeichnen, etwas Großartiges: „Als würden die Frittenfresser im Centro nicht schon genug stören.” Respektlos der Künstler: „Ich habe nix gegen die Wiedervereinigung, aber alles hat seine Grenzen.” Grenzwertig, aber ebenso sarkastisch wie die Bewertung von Florian Silbereisen: „Muss alles auf die Straße gelassen werden, was im Labor daneben gegangen ist?”
Zum Finale vor dem Schmaus aus Römertöpfen stellten die „Wanderer” aus Köln gar über Florian Silbereisen hinaus den Kontakt zur Antike wieder her. Eine tolle Veranstaltung mit einem Schwachpunkt.
Die Kunst zu schweigen
Nicht jedem ist die Kunst der Rede gegeben. Auch nicht jeder. Die uninspiriert gestammelte Laudatio gestern von Bürgermeisterin Elia Albrecht-Mainz auf die neue Ritterin des Eulenordens, Christine Mertens, erreichte schon einen ziemlich hohen Wert auf der nach oben offenen Peinlichkeitsskala. Dies fiel umso mehr auf, da Rainer Lettkamp seine Würdigung von Hermann Josef Kanders in weitgehend höchst niveauvolle Reime fasste. Liebe Leierkastenfrau, das war weit weg vom Helau. Wie gesagt, nicht jedem ist die Kunst der Rede gegeben. Die Kunst zu schweigen sollte beherrscht werden. Die beste Ordenswahl der letzten Jahre hätte mehr würdigendes Herz verdient gehabt.