Oberhausen. Zwei mutmaßliche Rechtsextremisten sollen in Anschlag auf das Oberhausener Parteibüro der Linken verwickelt sein. Partei erhebt schwere Vorwürfe

Anderthalb Jahre nach einem verheerenden Sprengstoff-Anschlag auf das Parteibüro der Linken in Oberhausen hat die Polizei zwei Tatverdächtige festgenommen. Am Dienstag, 6. Februar, haben Einsatzkräfte über mehrere Stunden eine Wohnung in Oberhausen durchsucht und Beweismaterial gesammelt. Eine 32 Jahre alte Frau und ein 49 Jahre alter Mann wurden festgenommen und sitzen in Untersuchungshaft. Sie sollen aus rechtsextremistischen Motiven gehandelt haben. Trotz des, wenn auch späten, Ermittlungserfolges erhebt die Partei schwere Vorwürfe.

Der Parteivorstand der Linken meldet sich aus Berlin zu Wort. „Es ist ein Skandal, dass die Ermittlungen damals eingestellt wurden und kein größeres Interesse an der Aufklärung bestand“, meint Martin Schirdewan. Das Oberhausener Linken-Büro sei „immer wieder Angriffen von Neonazis ausgesetzt“ gewesen. Tatsächlich hatten die Behörden knapp ein Jahr nach dem Anschlag die Ermittlungen eingestellt. „Das zeigt, wo die Prioritäten von Innenminister Reul liegen. Er trägt die Verantwortung für das Versagen der Behörden über einen so langen Zeitraum“, sagt Schirdewan, der die Partei Die Linke seit Juni 2022 gemeinsam mit Janine Wissler auf Bundesebene anführt.

Reul trägt die Verantwortung für das Versagen der Behörden.
Martin Schirdewan - Co-Vorsitzender der Linken auf Bundesebene

Die Linke Liste in Oberhausen fordert derweil weitere Aktionen gegen Rechtsextremismus. „Es ist wichtig, nicht nachzulassen, sich gegen rechte Hetzparolen und braunen Terror zu positionieren“, sagt der Fraktionsvorsitzende Yusuf Karacelik. „Für uns verdichtet sich, was wir ohnehin immer gesagt haben: Die Täter kommen aus der rechten Szene und haben versucht, unsere sozialistische Weltanschauung anzugreifen und unsere Politik zu verhindern. Das ist ihnen nicht gelungen. Wir haben ein neues Zentrum in der gleichen Straße eröffnet, das unseren Mitgliedern und allen Bürgerinnen und Bürgern offen steht.“

Mutmaßliche Neonazis sollen Anschlag verübt haben: Was wir bislang wissen

Was wir bisher über die Tat und die beiden Verdächtigen wissen: Als die Geschäftsfrau um kurz nach 8 Uhr am Dienstag (6. Februar) zu ihrem kleinen Laden nahe der Bergmannstraße wollte, war der Schreck groß: Ein Großaufgebot der Polizei stand mit ihren Fahrzeugen in der recht kurzen Seitenstraße im Oberhausener Stadtteil Styrum. Schnell parkte sie ihren Wagen und eilte in ihr Geschäft. Den Grund für den Einsatz erfuhr sie erst viel später: Am Mittwochabend wurde bekannt, dass die Polizei eine Wohnung in Oberhausen durchsucht und zwei Verdächtige festgenommen hat. Sie sollen in den Sprengstoff-Anschlag auf das Parteibüro der Oberhausener Linken am 5. Juli 2022 verwickelt sein. Die Tat soll einen rechtsextremistischen Hintergrund haben.

Einen exklusiven Online-Bericht unserer Redaktion von Mittwochabend bestätigten die Staatsanwaltschaft Duisburg und die zuständige Polizei Essen am Donnerstagnachmittag. Demnach handelt es sich bei den Verdächtigen um eine 32 Jahre alte Frau und einen 49 Jahre alten Mann. Beide sitzen in Untersuchungshaft, ihnen wird das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion vorgeworfen. Sie sollen in den Anschlag verwickelt sein, bei dem im Sommer 2022 das Parteibüro der Linken mitten in der Innenstadt fast komplett zerstört wurde. Durch die Explosion waren sogar gegenüberliegende Geschäfte betroffen: Fenster gingen zu Bruch, Inventar wurde beschädigt.

Die Bergmannstraße in Oberhausen, aufgenommen am 8. Februar 2024.
Die Bergmannstraße in Oberhausen, aufgenommen am 8. Februar 2024. © WAZ Oberhausen | nage

In ihrer schriftlichen Erklärung bestätigen die Behörden allerdings weder den genauen Einsatzort in Styrum noch den vermuteten rechtsextremistischen Hintergrund. Entsprechende Informationen liegen unserer Redaktion allerdings vor. Eine Sprecherin der Duisburger Staatsanwaltschaft erklärt auf Nachfrage nur, dass es über zunächst vermutete Kontakte zur Reichsbürger-Szene „derzeit keinerlei Erkenntnisse“ gibt.

Die Ermittlungen laufen nun weiter, derzeit werden unter anderem die in der Wohnung gesicherten Beweismittel untersucht. Über zehn Stunden lang hatten die Polizisten, die aus anderen Städten zum Einsatz zusammengezogen wurden, die Wohnung durchsucht, um Spuren und Beweise so sorgfältig wie möglich zu sammeln. Dabei sollen auch Symbole gefunden worden sein, die üblicherweise die Neonazi-Szene verwendet, die Rede ist von Hakenkreuzen.

Anschlag auf Linken-Büro in Oberhausen: überraschender Ermittlungserfolg

Der Ermittlungserfolg kommt überraschend. Denn die Staatsanwaltschaft Duisburg hatte die Ermittlungen bereits knapp ein Jahr nach dem Sprengstoff-Anschlag im Juli 2023 ohne Ergebnis eingestellt. „Im Rahmen der durch die Staatsanwaltschaft Duisburg geleiteten Ermittlungen in einem anderen Verfahren ergaben sich neue Hinweise“, heißt es nun dazu von der Staatsanwaltschaft.

In der Bergmannstraße, wo nach unseren Informationen die Durchsuchung stattfand, ist nach der Polizeiaktion mittlerweile Ruhe eingekehrt. Kaum ein Passant ist an diesem verregneten Altweiber-Donnerstag hier unterwegs. Und wenn doch jemand sein Gesicht aus der heruntergezogenen Kapuze hervorstreckt, ist die Gesprächsbereitschaft nicht sehr groß. Einige sind überrascht, andere reagieren mit Galgenhumor: „Und ich dachte, die Parkplatz-Not sei unser größtes Problem.“

Mutmaßliche Rechtsextreme leben in einem unscheinbaren Mehrfamilienhaus in Styrum

Eine ältere Dame reagiert verschüchtert, als sie hört, was hinter der groß angelegten Durchsuchung am Dienstag stecken soll. Dass mitten in Styrum Menschen mit rechtsextremistischem Hintergrund leben sollen und selbst vor einem Sprengstoff-Anschlag nicht zurückschrecken, bei dem auch Menschen hätten zu Schaden kommen können, erschreckt offenbar sehr.

Derweil bekommen wir einen Tipp, in welchem Haus die mutmaßlichen Rechtsextremisten leben sollen. Es ist ein unscheinbares Mehrfamilienhaus, im Eingangsbereich bröckelt die Fassade. Drei der fünf Klingelschilder sind mit Namen beschriftet, die beiden Namen auf dem mittleren Klingelschild sind zwar stark verblasst, dafür in auffälliger Frakturschrift. Auf das Schellen reagiert an diesem Tag niemand.

Auch der Postbote, der um kurz vor 12 Uhr Briefe bringt, erreicht niemanden persönlich. Die Haustür ist allerdings nicht versperrt, unter leichtem Druck springt sie auf und lässt einen Blick ins dunkle Treppenhaus zu.

Nur wenige Schritte von der Wohnung entfernt, in der die mutmaßlichen Neo-Nazis wohnen, wurde ein Stolperstein in Gedenken an von den Nationalsozialisten verfolgten oder ermordeten Menschen verlegt. Hier wohnte Martin Heix, ist darauf zu lesen. Jahrgang 1903, im Widerstand, verhaftet April 1937, überlebt.

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