Oberhausen. Mehr als 1000 Helfer waren über Weihnachten im Einsatz, um den Ruhrdeich in Oberhausen-Alstaden zu sichern. Die Anwohner reagieren gelassen.
Die Menschen in Oberhausen-Alstaden müssen auch nach Weihnachten eine andere Gassirunde gehen als üblich. Der Ruhrpark ist wegen des Hochwassers abgesperrt. Viele Anwohnerinnen und Anwohner, die am 27. Dezember mit ihren Hunden unterwegs sind, nehmen die Präsenz des Ordnungsamtes gelassen hin. Manche ignorieren sogar die weiß-rote Absperrung und gehen an ihr vorbei in den Park, nur um direkt von zwei Mitarbeitern des Ordnungsamtes eingefangen zu werden. Die Baken stünden dort nicht zum Spaß, sagen sie ruhig.
Aufgeregt reagiert hier niemand auf die Ausnahmesituation am Wochenende und an den Feiertagen. Für die Menschen, die hier von einer Überflutung betroffen wären, ist ein hoher Wasserpegel nichts Besonderes. „Ich verstehe die ganze Aufregung nicht“, sagt ein Anwohner aus der Straße Ohrenfeld, der am Mittwoch mit seinen zwei Hunden an der Kewerstraße spazieren geht. Hochwasser gebe es hier in Alstaden seit 50 Jahren. Seit des Jahrhunderthochwassers im Jahr 2021 – damals war der Deich durchgeweicht und es trat an etlichen Stellen Wasser aus – habe niemand etwas unternommen, wundert sich der 57-Jährige. „Die Stadt Oberhausen hat geschlafen.“
Anwohner in Oberhausen besitzen längst eigene Pumpen für ihre Keller
Auch Sandra Rött versteht nicht, warum die Stadt nach dem heftigen Hochwasser vor zwei Jahren nicht vorgesorgt hat. Wenn sich nicht bald etwas tue, ist die 49-Jährige sicher, werde der Damm irgendwann brechen. Die Anwohnerin schildert das ganz unaufgeregt. Sie nehme die Situation so hin, wie sie ist, sagt sie. Längst besitzt sie eine eigene Pumpe, mit der sie in den vergangenen Tagen literweise Wasser aus dem Untergeschoss befördert hat. Etwa knöchelhoch stand das Wasser an Weihnachten bei ihr im Keller. „Das ist immer so, wenn die Ruhr Hochwasser hat“, sagt sie gelassen.
Dass seit Samstag vor Heiligabend mehr als 1000 Helferinnen und Helfer von der Feuerwehr und vom Technischen Hilfswerk hier im Stadtsüden vor Ort waren, um den Ruhrdeich zu sichern, davon zeugt am Mittwoch neben dem abgesperrten Ruhrpark und wenigen Mitarbeitenden des Ordnungsamts wohl vor allem die Ruhe. Kein Blaulicht, keine Sirenen, die Vögel zwitschern. Dank der Befestigungsarbeiten ist nichts Schlimmeres passiert. Der Deich hat gehalten.
Oberhausener Ordnungsdezernent: „Die Situation ist stabil“
Seit Dienstagabend ist der Pegelstand in Oberhausen gefallen, berichtet Ordnungsdezernent Michael Jehn. Am Mittwoch, 27. Dezember, liegt er an der Messstelle Hattingen am frühen Nachmittag bei 5,67 Meter. Am Tag zuvor war er nach einem längeren Hoch von sechs Metern bereits auf 5,90 Meter gesunken. Prognose: weiter sinkend. Auch die Niederschläge gehen zurück, erklärt Jehn. Erst am Freitag, 29. Dezember, rechnet die Stadt mit dem nächsten Regen. „Diese Einschätzung teilt auch der Ruhrverband.“ Entwarnung will der Ordnungsdezernent deshalb noch nicht geben. Es sei weiterhin Personal vor Ort, um den Deich und die Ruhr zu beobachten und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen. Jehn geht derzeit aber nicht davon aus, dass das nötig ist. „Die Situation ist stabil.“
Fotostrecke: So sieht die Ruhr nach Weihnachten aus
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Ein Blick auf den Fluss von der Straße Am Ruhrufer aus bestätigt, dass das Wasser nicht weiter gestiegen ist. Noch immer lassen die wenige Zentimeter aus dem Nass ragenden Begrenzungspfeiler erahnen, wo sich der Radweg befindet. Schilder lugen aus dem Strom und heben sich vom grauen Himmel ab.
Wenige Meter weiter, an der Speldorfer Straße, lehnt Christian Böe in Gummistiefeln an seiner Garage und beobachtet, wie das Grundwasser aus seinem Garten durch einen weißen Schlauch in die Kanalisation plätschert. Er pumpt das Wasser vorsorglich ab, damit es nicht in seinen Keller läuft. Dort sind seit Heiligabend morgens alle Rollladen geschlossen und mit Sandsäcken gesichert. Da stand das Wasser bereits knöcheltief auf den Asphaltplatten, erzählt der 40-Jährige.
Oberhausen: Der große Einsatz führt Anwohnern den Ernst der Lage vor Augen
Von seinem Haus sind es nur 100 Meter bis zum Fluss. „An der Ruhr zu wohnen, ist Fluch und Segen zugleich“, findet Christian Böe. „Es ist schön, wenn es trocken ist.“ Früher habe der Deich eine gewisse Sicherheit vermittelt. „Aber seit 2021 wissen wir, dass der Deich marode ist“, sagt der Anwohner. Wenn die Stadt jetzt nach der nächsten „brenzligen Situation“ wieder nicht handle, „ist das nicht mehr nur fahrlässig“.
Dass sein Keller weitestgehend leersteht und er sich mit Wasserpumpe und Sandsäcken ausrüsten muss, damit hat sich der Oberhausener abgefunden. „Ich wohne seit 40 Jahren hier“, sagt er. Hochwasser sei für ihn nichts Besonderes. Was ihn allerdings dieses Mal verunsichert habe, sei, dass so viele Helferinnen und Helfer angerückt sind. „Da wurde ich doch nervös.“
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Auf die kommenden Tage blickt er dennoch ohne große Sorgen – wie die meisten seiner Nachbarinnen und Nachbarn. Was anderen die Weihnachtszeit wohl reichlich vermiest hätte, bringt die Menschen am Ufer der Ruhr längst nicht mehr aus der Fassung.
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