Oberhausen. 300 Einsatzkräfte verstärken das Ruhrufer in Oberhausen. Schweres Gerät fährt am Ruhrpark vor. Teile sind für Passanten gesperrt. Ein Report.
Das Küchenfenster an einem Wohnhaus an der Solbadstraße steht auf Kippe. Es duftet nach Sauerbraten. Hundhalter gehen im pfeifenden Wind mit ihren Hunden spazieren. Am Morgen vor Heiligabend geht in Oberhausen-Alstaden scheinbar alles seinen gewohnten Gang.
Doch nur wenige Meter weiter blinken grelle Blaulichter. Vor den Eingängen des Ruhrparks tönen Martinshörner. Schwere Transporter mit dicken Reifen biegen in die Grünanlage ein. Einige tragen bullige Bagger auf der Ladefläche.
Bis zu 300 Einsatzkräfte sichern zurzeit ein 500 Meter langes Deichstück, an der wenige Spazierminuten entfernten Ruhr. Ergiebige Regenfälle haben den dortigen Pegel deutlich ansteigen lassen. „Das Wasser steht schon ganz schön hoch“, wissen zwei Spaziergänger und deuten auf das Areal hinter dem Flatterband. Aus dem sonst so beschaulich schmalen Flussverlauf ist im Ruhrbogen zwischen Oberhausen, Mülheim und Duisburg ein breites, sich sehr schnell bewegendes Gewässer geworden.
Hochwasser-Welle: Ruhrpark komplett gesperrt - Wasser bis zum Deich
Die Landschaft sieht tatsächlich wie verwandelt aus: Liegewiesen, auf denen sich im Sommer Spaziergänger tummeln, sind längst überflutet. Vom tiefer gelegenen Radweg auf Wasserhöhe reichen nur noch Begrenzungspöller aus dem Nass. Die Ruhr staut sich am Deich. So hoch wie beim Hochwasser vor zwei Jahren steht der Pegel aber noch nicht.
Wo sonst Passanten schlendern, liegen jetzt Sandsäcke. "Weiter vor...", schallen im Hintergrund die Anweisungen von einem Radbagger herüber. Im ungastlichen Sturm bilden Helfer eine Menschenkette und transportieren kleine weiße Sandsäcke zur Deichkante. Schwarze Rollen mit Abdeckvlies liegen bereit, um verarbeitet zu werden. Dies soll den Deich stabilisieren. Feuerwehrsprecher Jörg Preußner: „Dadurch wollen wir den Druck vom Deich nehmen."
Da die Alstadener Deichpassage bereits durchweicht und die stabilisierende Grasnarbe stellenweise beschädigt ist, sind die Oberhausener Einsatzkräfte bereits am Freitagnachmittag vorsorglich tätig geworden. Sogar einige Bäume müssen am Samstag weichen, weil das Wurzelwerk bis in den Deich reicht. Dadurch droht, dass bei stürmischen Winden der Deich weiter gelockert werden könnte.
Natürlich sind auch Schaulustige vor Ort: An den Absperrungen gab es einzelne Bürger, die sich über die Lage informieren wollten. Die Feuerwehr versichert: „Wir führen hier Präventivmaßnahmen durch. Bislang ist keine Gefahr für die Bevölkerung zu erkennen.“
Hochwasser-Welle: Einsatzkräfte sprechen von Präventivmaßnahmen
Die Einsatzkräfte bereiten sich darauf vor, dass sich die Lage zuspitzt, zumal in den kommenden Tagen weitere Regenfälle angekündigt sind. Experten zur Deichverteidigung sind im Einsatz. Feuerwehr-Einheiten und Helfer sind aus anderen Städten angereist.
Das wird rund um den Ruhrpark deutlich: Der Straßenverkehr stockt zwischendurch. Autos warten auf der Solbadstraße hinter bulligen Materialtransportern. An der Haltestelle „Ruhrpark“ steigen Feuerwehrleute und Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks (THW) nach dem Schichtwechsel in drei hintereinander aufgereihte Gelenkbussen der Stoag. „Sonderfahrt“ steht in den Sichtfenstern. Um die Einsatzkräfte nicht zu behindern, sollen Passanten die Einsatzumgebung meiden.
Der komplette Ruhrpark ist längst abgesperrt. An Fußwegen versperrt weiß-rotes Flatterband den Zutritt. Auch die Deichwege sind für Passanten tabu. Auf der Ruhr kreisen DLRG-Boote und sichern die schwere Arbeit der Helfer von der Wasserseite ab, sollte mal jemand im Schlamm ausrutschen und in die Ruhr fallen.
Bis zu 15.000 Sandsäcke will man bis zum Samstagabend verbauen. Danach entscheiden die Verantwortlichen, wie es weitergeht. Preußner: „Wir beobachten stündlich die Pegelstände. Die weitere Wetterlage ist entscheidend, ob weitere Maßnahmen nötig sind.“
Hochwasser-Welle: Feuerwehr baut Einsatzleitung im Ruhrpark auf
Koordiniert wird der Großeinsatz direkt aus dem Ruhrpark. Ein Fahrzeug der Einsatzleitung mit einem in die Höhe ragenden roten Signallicht parkt zwischen den Spazierwegen. Drumherum verteilen sich Einheiten der Feuerwehr, von THW und DLRG sowie der Hilfsorganisationen. Für 400 Personen sind Verpflegungsrationen bestellt worden.
Die Wege hinter dem Deich wirken bereits wie eine Matschpiste. Das Geläuf ist aufgeweicht und fordert Einsatzkräften und Arbeitsgerät einiges ab. Hinzu kommt das widrige Wetter mit Regen und starkem Wind.
Eine Sondersituation, einen Tag vor Weihnachten. Preußner: „Es sind viele ehrenamtliche Kräfte vor Ort. Es gibt eine hohe Bereitschaft vieler Kollegen aus anderen Städten, die uns hier in Oberhausen unterstützen.“ Das Weihnachtsfest ist für die Einsatzkräfte noch weit weg. „Wir denken erst einmal an die Lage. Und Weihnachten kommt, sobald die Lage beendet ist.“
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